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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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jener Menschensorte, die niemals kapituliert; die man erst halb totschlagen muß, bevor man sie aufs Schafott schleppen kann; die noch auf ihrem Totenbett den Preis für ihr eigenes Begräbnis mit den Angestellten des Beerdigungsinstituts aushandelt. Luigis Truck ist nur noch dreißig Meter entfernt.
    Gerade in diesem Augenblick, wo alles aus ist, wo sie nur noch eine oder zwei Sekunden zu leben haben, wirbeln die Räder des vorderen Fahrzeugs eine Staubwolke auf, die Stürmer am Steuer die Sicht nimmt. So oder so verreckt. Der Franzose läßt den Gashebel los, zieht die Handbremse vorsichtig bis zum dritten Zahn und tastet mit der Sohlenspitze nach der Fußbremse. In dem Staubwirbel, der wie eine Wand zum Himmel steigt, hat es den Anschein, als ob die roten Lichter, die noch vor einer Sekunde auf die Windschutzscheibe zueilten ... Ja ... es hat den Anschein, daß sie nicht mehr näher kommen. Soviel Staub kann Luigi nur aufwirbeln, wenn er schneller fährt. Das versteht sich von selbst. Und wirklich, jetzt entfernt er sich.
    Der Sandstaub kommt ihnen in den Rachen. Sie husten. Johnny bemüht sich, die Windschutzscheibe zu schließen; aber die Schraube sitzt fest, er müht sich schwer ab. Bis er damit fertig ist, wird der Wagen stehen oder in die Luft geflogen sein.
    Der Boden ist jetzt glatt unter den Rädern. Sie rollen wie über Parkett, obgleich die Fahrtgeschwindigkeit mehr und mehr abnimmt. Wenn kein Hindernis mehr aus der Nacht oder der Staubwolke auftaucht, sind sie noch einmal davongekommen...
    Die Straße wird immer besser. Dann wechselt sogar der Unterbau, die Räder finden festeren, härteren Widerstand. Die Sandschicht macht etwas anderem Platz. Zwischen zwei Staubwirbeln glaubt Gérard Zement zu erkennen. Aber ja ... natürlich, das ist’s ... Sie sind also nicht mehr, wie sie annahmen, auf offener Strecke. Die Staubwolke hört plötzlich auf und gibt den Blick auf zwei helle Bänder frei, die sich wie Teppichbahnen vor ihnen ausbreiten. In der Ferne, am äußersten Rande des Scheinwerferlichts, verschwindet Luigis Wagen jetzt zwischen zwei Lehmhütten.
    Also hat Johnny sich geirrt, als er Gérard Auskunft gab. Nicht einmal fähig zu einer genauen Ortsangabe! Nicht einmal dazu!
    »Das war nicht Pumpe 7, an der wir vorbeifuhren, als du mich geweckt hast. Das war Pumpe 6.«
    Der andere zieht ein schiefes Gesicht. Stürmer erspart sich alle nachträglichen Vorwürfe: Ich hab dir’s ja gesagt, und so machst du’s immer ... Wozu das, mein Gott?
    Vom fünften Gang in den vierten, vom vierten in den dritten, und so fort; im ersten fahren sie in das Dorf ein. Die Straßen sind leer; hier und dort weist eine offene Tür ein erleuchtetes Zimmer. Man sieht darin ängstlich zusammengekauerte Familien, alte Leute, die Gebete murmeln und den Rosenkranz zwischen den Fingern drehen. Sie scheinen zu wissen, worum es sich handelt, obwohl es hier kein Telefon und keinen Telegrafen gibt ... Aber südlich vom Wendekreis des Krebses zirkulieren in allen Ländern der Welt die Nachrichten auf merkwürdigen Wegen. Sie zirkulieren mit einer Geschwindigkeit, die für Europäer stets ein Rätsel ist.
    Die beiden Wagen fahren in einem Abstand von wenigen Metern in den Ort ein. Als der erste Wagen den Dorfplatz erreicht, winkt aus ihm ein Arm im roten Lichtschein. Das ist Luigi oder Bimba, der ihnen bedeutet, daß er jetzt halten wird. Stürmer fährt seinen Truck an die rechte Straßenseite heran und hält, während der andere sein Fahrzeug auf dem Platz selbst zum Stehen bringt.
     
     
    »Hallo, Bimba! Hallo, Luigi!«
    »Was ist denn mit euch los?« fragte der Italiener. »Habt ihr nicht das Taschentuch gesehen, das wir an die Pumpe 6 angebunden haben? Ihr solltet langsamer fahren. Wozu habt ihr denn zwei Paar Augen?«
    »Wir hatten nicht zwei Paar Augen. Johnny fuhr, und ich, ich habe geschlafen.«
    »Was?« Bimba konnte das nicht fassen.
    »Weißt du, ich bin während der Belagerung von Madrid Feuerwerker gewesen«, sagte er, »wir sind im feindlichen Feuer herumgelaufen mit Dynamitpäckchen am Koppel und einer Zigarette im Maul, um die Zündschnur in dem Augenblick anzubrennen, wo wir die Dinger geworfen haben. Von den Benzinflaschen will ich gar nicht reden, die sind nicht so gefährlich. Gegen Ende des Krieges haben wir sie aber mit dem Zeug gefüllt, das wir hier mit uns spazierenfahren. Und wenn man so’n Ding in die Gegend schmiß, flogen einem die Tankstückchen nur so um die Ohren. Ich will damit nur sagen, ich kenn

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