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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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Trichtergrund war lockeres Erdreich. Lockeres Erdreich waren auch die Seitenwände, die unter Stürmers Fuß wegrutschten. Der Rumäne war oben stehengeblieben, am Rand des Trichters. Er schien irgendeine Falle zu wittern. Mit seiner Lampe leuchtete er in jede Bodenfalte. Daß hier Menschen gewesen waren, davon zeugte nur ein flacher Stein mit einem breiten Blutfleck.
    »Na ja...«, sagte Gérard mit einem Seufzer.
    Damit war die Leichenrede beendet. Jetzt mußten sie sehen, wie sie hier durchkamen. Er stieg zu dem Rumänen hinauf.
    »Ich kann nicht mehr, das ist unmenschlich, ich kann nicht mehr«, murmelte Johnny fortgesetzt vor sich hin.
    ... Widerstehe der Versuchung deiner Nerven und deiner Übermüdung, Gérard, mein Bruder, töte ihn nicht. Lade die unmenschliche Bürde der menschlichen Schwäche noch einmal auf deine Schulter, hau ihm eine runter, nimm ihn beim Wickel, beutel ihn, daß ihm Hören und Sehen vergeht, kurz, sei geduldig. Nur das kannst du tun.
    Geduld, Tugend der Starken. Er mußte wieder ganz von vorn anfangen, Angst und Ehrgefühl gegeneinander abwägen, den Gefährten wieder überzeugen, daß hier nur die Spielregel zu akzeptieren war, die hieß: für Geld sterben; oder mindestens doch: sehr wahrscheinlich sterben; manchmal gibt es ja welche, die durchkommen.
    »Ich habe dir vorhin schon gesagt, Johnny, und es macht mir keinen Spaß, dir das jetzt zu wiederholen: Es gibt kein ›ich kann‹ oder ›ich kann nicht mehr‹, kein ›menschlich‹ oder ›unmenschlich‹, du kommst jetzt, und damit Schluß.«
    »Nein. Ich geb’s auf. Laß dir jemand anders schicken.«
    »Red nicht solchen Unsinn. Der eine Wagen ist zerplatzt, die Fahrer des anderen Wagens sitzen fest, weil sie Angst haben ... glaubst du vielleicht, daß die bei der Crude auf den Kopf gefallen sind?«
    »Was wollen die denn machen?«
    »Die schmeißen uns raus und lassen sich ihre Spezialisten kommen. Natürlich werden sie mit denen dieselbe Schererei haben, aber davon kriegen wir dann unsern Job nicht wieder.«
    »Nimm an, ich laß mich von dir rumkriegen; dann vergeht der Rest der Nacht damit, um dieses Loch rumzukommen. Und zwei Stunden nach Sonnenaufgang wird die große Hitze den ganzen Tag über senkrecht auf die Fässer brennen. Du weißt selbst, daß diese Teufelssuppe schon bei achtzig Grad in die Luft fliegen kann...«
    »Wir werden uns nicht gerade danebenstellen und dabei zuschauen. Da legen wir uns hübsch in einiger Entfernung schlafen.«
    »Wie willst du denn das machen? Auf freiem Feld? Ohne einen Baum für die Hängematten? Ich glaub, du bist verrückt. Und die Schlangen?«
    »Und das gelbe Fieber? Und die Beriberi? Und der Gudugudu? Willst du mich zum Narren halten? So sag es doch, du Lump. Sag es, damit ich dich umbringe! Wirst du’s jetzt sagen, in Teufels Namen?«
    Jedem seine Nervenkrise! Die da kam als Wutausbruch, das hatte wenigstens nichts Peinliches. Es war zuviel gewesen für Gérard, zuviel für einen einzelnen Mann in einer einzigen Nacht. Er holte weit aus und ohrfeigte den andern, er machte sich ein Vergnügen daraus, ihn zu ohrfeigen, er ohrfeigte ihn ausgiebig. Die Lampen waren zu Boden gefallen, die Schläge klatschten in der dunklen Nacht. Der Rumäne wich zurück, stand jetzt im Scheinwerferlicht. Er war bleich, trotz der Schläge, seine Nase blutete. Stürmer fuhr fort, ihn zu schlagen, aber ruhiger, dosierter. Er hörte erst auf, als er fühlte, daß seine Arme müde wurden.
    »So. Und jetzt an die Arbeit.«
    Johnny holte zweimal tief Atem und schnaubte aus. Er begriff kaum, was geschehen war: er fühlte sich viel frischer. Sie gingen zu dem Wagen zurück.
    »Wir müssen jetzt zuerst einen Weg suchen«, erklärte Gérard. »Vorher wollen wir aber den Wagen bis an den Trichter heranfahren.«
    Während er weitersprach, setzte er sich ans Steuer, die Tür blieb offen.
    »Bis an den Rand des Trichters wird’s gehen. Dort werden wir uns die Sache mal bei besserem Licht besehen. Die Trichterwände sind nicht so steil, vielleicht kann man in den Trichter hinunterfahren und auf der anderen Seite wieder hoch.«
     
     
    Zwei graue Gestalten bewegen sich in den weißen Kegeln, die die Scheinwerfer gegen die Mauer der Nacht werfen. Um sie herum wirbelt der Staub in dem blendenden Licht, tanzt, fällt und steigt, ohne Unterlaß. Sie atmen Staub ein, schlucken ihn, spucken ihn aus; er wird nicht weniger.
    Ihre Oberkörper sind nackt, von Schweiß und Staub bedeckt. Sie führen Schaufel und Hacke mit

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