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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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tut mir leid, das wir so einfach in Ihr Privatleben eingedrungen sind«, sagte er dann.
    »Das Haus gehört Martin genauso wie mir. Er konnte nicht wissen, dass ich hochfahre. Es ist nicht Ihre Schuld.«
    »Trotzdem. Ich habe das Gefühl, als würden Sie sich unwohl fühlen, Frau van Aken. Das sollte nicht so sein. Nicht in Ihrem
     Haus.«
    »Conny.«
    Überrascht sah er mich an.
    »Nennen Sie mich Conny. Constanze.«
    Kemper schwieg.
    »Ihr duzt euch doch alle. Es kommt mir komisch vor, hier ›Frau van Aken‹ genannt zu werden.«
    Noch immer erwiderte er nichts. War ich zu weit gegangen? Ich biss mir auf die Innenseite der Wange.
    »Was ich heute Mittag gesagt habe, habe ich durchaus ernst gemeint«, murmelte er schließlich. »Bromkes hat Sie … dich empfohlen.
     Wir brauchen geschulte Leute. Fachleute, die mit der Polizeiarbeit vertraut, aber dennoch außerhalb des Systems sind. Sie
     haben oft einen klareren, einen anderen Blick.«
    »Das schmeichelt mir, aber ich glaube nicht, dass ich dafür die Richtige bin. Zumindest im Moment nicht.«
    »Das ist schade. Der Psychologe dieser OFA hat sich das Bein gebrochen und liegt im Krankenhaus. Trümmerbruch. Wird sich wohl
     eine Weile hinziehen.«
    Trümmerbruch, so etwas hatte ich auch erlitten, nur dass nicht einer meiner Knochen, sondern meine Seele betroffen war. Doch
     das sagte ich nicht.
    »Wir drehen uns wieder im Kreis. Ich glaube, da gibt es eine Verbindung, eine Spur zwischen den Fällen, aber wir sehen es
     nicht. Dieser Täter ist nicht greifbar.«
    »Fälle?«
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Gefesselt. Geschlagen . Vergewaltigt . Ausgehungert . Ausgeblutet.
Wieder tauchten die Worte in meinem Kopf auf.
    »Ja, zwei bisher. Jeweils ähnliche Vorgehensweise. Übereinstimmende Täter-DNS. Keine Verbindung zwischen den Opfern. Kein
     Motiv.«
    »Kein für euch erkennbares Motiv. Das bedeutet nur, dass ihr es noch nicht kennt«, sagte ich leise. Irgendwo schrie ein Nachtvogel,
     ein Hund schlug an. Charlie hob den Kopf, schnupperte. Auch ich sog die Luft ein. Es roch nach Tannen und Holzfeuer.
    Auch Robert atmete hörbar ein. »Ein wenig wie Weihnachten. Tanne und Feuer. Außerdem kann man den Nebel riechen.«
    »Nebel hat einen Geruch?«
    »Manchmal. Findest du nicht? Es riecht moderig und gleichzeitig nach Gras. Wahrscheinlich die Düfte, die die Nebelschwaden
     annehmen, wenn sie aufsteigen.«
    »Möglich.« Ich blieb stehen, spürte die kalte Nachtluft an meinem Kopf und Nacken und horchte auf die undeutlichen Laute,
     die durch die Dunkelheit zu mir drangen. Hier auf dem Land, weitab von Leuchtreklame und Straßenlaternen, war es ungleich
     dunkler als in der Stadt. Dafür sah man mehr Sterne. Je länger man schaute, um so mehr schienen es zu werden. Ich hielt mich
     an den Sternbildern fest, der Große Wagen, der Kleine.
    Kemper sah mich an, folgte dann meinem Blick.
    »Beeindruckend«, flüsterte er und brach damit den Zauber des Augenblicks.
    »Ja.« Ich zog Charlie enger zu mir, setzte den Weg mit großen Schritten fort. Auf einmal schien es mir das Wichtigste zu sein,
     schnell das Haus zu erreichen. Wieder spürte ich den Schweiß an meinem Rückgrat nach unten rinnen, meine Schultern waren verspannt
     und meine Zähne so fest aufeinander gebissen, dass es weh tat. Kemper versuchte nicht, die Unterhaltung wieder aufzunehmen,
     dafür war ich ihm dankbar.
    Im Haus hing der Geruch von fettigem Pizzakäse, war fast |35| schon greifbar. Plötzlich wurde mir schlecht, ich atmete hastig durch den Mund.
    »Wir haben keine Verbindung zum zweiten Fall«, hörte ich jemanden im Wohnzimmer sagen.
    »Aber immerhin wissen wir, wer das Opfer war. Sonja Kluge, zweiundzwanzig Jahre alt.«
    Ich schüttelte den Kopf, wollte nicht noch mehr über diese grausamen Taten erfahren. Der Mann vom BKA sah mich nachdenklich
     an. Ich nickte ihm zu, ging nach oben, ohne meine Jacke oder die Schuhe ausgezogen zu haben und ohne ein weiteres Wort zu
     sagen.
    Durch die Ritzen der Schlafzimmertür fiel Licht wie Tropfen auf den Dielenboden. Hatte ich vergessen, die Lampe auszuschalten?
     Vorsichtig öffnete ich die Tür. Martin saß auf dem Bett, die Beine angezogen, die Arme um sie geschlungen. Er legte den Kopf
     schief, sah mich fragend an.
    »Du hättest nicht mit dem Hund gehen müssen. Nicht hier, nicht alleine.«
    »Ich weiß.«
    »Mutest du dir nicht zu viel auf einmal zu?«
    »Ich war nicht alleine, Kemper hat mich begleitet.«
    »Robert?«
    »Ich habe ihn nicht darum gebeten, es war seine

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