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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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mehr, dann gehst du wieder zur Normalität über.« Martin lächelte.
    |26| »Scheiße, willst du mich verarschen?«
    »Wie bitte?« Er riss die Augen auf, aber sein Blick traf nicht meinen. Stattdessen fixierte er irgendeinen Punkt weit hinter
     mir bei den Kuhweiden. Ich war versucht, mich umzudrehen und zu schauen, was er dort so Interessantes sah, widerstand aber
     der Versuchung. »Du willst mich loswerden?«
    Noch vor einer Stunde hatte ich überlegt, nach dem Laufen wieder zurück nach Aachen zu fahren. Doch nun war der Gedanke indiskutabel,
     eigentlich undenkbar. Ich ließ mich nicht einfach wegschicken.
    »Aber nein, Conny. Ich will dir helfen. Ich will für dich da sein.« Er klang tatsächlich ernsthaft.
    »Ich in Aachen und du hier? Wie willst du dann für mich da sein?« Ich lachte spröde.
    »Ich würde dich fahren, Conny. Das war mein Angebot. Ich fahre dich zurück in deine Wohnung und komme dann wieder hierher,
     um mit den Kollegen an der Fallanalyse zu arbeiten. Ein scheußlicher Fall voller Gewalt. Etwas, mit dem du dich nicht beschäftigen
     willst.«
    »Wer sagt das?« Ich sah ihn herausfordernd an.
    »Niemand. Ich dachte nur … ach komm. Du willst das nicht, Conny. Du willst das seit Monaten nicht. Selbst Scheidungsfälle
     sind dir zu gewalttätig. In deiner Gegenwart darf man noch nicht mal ›todsicher‹ sagen, ohne dass du durchdrehst. Jetzt spiel
     nicht die Coole. Du willst damit nichts zu tun haben, nichts davon hören.« Nun klang er nicht mehr defensiv.
    »Das Haus ist groß genug – deine Worte.«
    »Richtig. Das Haus mag groß genug sein, aber wir arbeiten an dem Fall eines Serienkillers, jemand, der ohne Skrupel tötet.
     Es ist wichtig, dass wir sein Profil erstellen. Schnell erstellen, bevor er wieder zuschlägt. Wir diskutieren unappetitliche
     Fakten, beschäftigen uns mit grässlichen Details. Das ist sicher zu viel für dich, auch wenn du es nur am Rande mitbekommen
     würdest. Für dich wäre es besser, das Wochenende in Aachen zu verbringen und uns unsere Arbeit tun zu lassen. Ich meine es
     nur gut mit dir, Conny.«
    |27| Ich drehte mich um, sah den blassen Mond am Himmel stehen. Es war nur ein Schatten, wie ein Fleck auf einem Negativ. Inzwischen
     waren die Kühe gemolken worden, Grillen zirpten in der Böschung, der Wind strich durch die Gräser. Irgendjemand hatte ein
     Feuer angezündet, es roch nach Holzkohle und seltsamerweise metallisch nach Schnee.
    »Ich bleibe, Martin. Zumindest bis Morgen.«
    Für einen Moment verharrte er schweigend hinter mir. Dann sagte er leise: »Na gut, deine Entscheidung. Schön, dass du wieder
     Entscheidungen triffst, Conny. Auch wenn ich nicht mit ihnen übereinstimme.« Er klang resigniert, drehte sich um und ging
     zurück zum Haus. »Wir wollen Pizza bestellen. Möchtest du auch?«

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    Kapitel 4
    Nachdem ich den Hund gefüttert hatte, duschte ich lange. Das heiße Wasser prasselte in einem harten Strahl auf meine Haut.
     Ich hielt die Luft an, atmete flach, gewöhnte mich an die Hitze. Doch statt meine Muskeln aufzulockern, verkrampfte ich immer
     mehr. Schließlich stellte ich das Wasser ab, rubbelte mich trocken. Dampfschwaden waberten durch den Raum und ließen alles
     unwirklich erscheinen. Das passte zu meinen Gefühlen. War ich wirklich in Hechelscheid, in der Eifel, in unserem Haus? War
     dies tatsächlich noch unser Haus? Wo stand ich in meinem Leben? War das eine der unzähligen Weggabelungen des Lebens, an der
     man eine Entscheidung treffen musste?
    Rechts oder links? Geradeaus oder um die Kurve?
    Sollte ich weitermachen, mein Leben wieder aufnehmen, oder sollte ich neu anfangen? Ich wusste es nicht.
    »Schön, dass du wieder Entscheidungen triffst, Conny«, hatte Martin gesagt. Tat ich das denn wirklich, oder war ich |28| einfach nur unentschlossen und zu müde, um nach Aachen zurückzukehren?
    Ich wickelte mich in das Handtuch, schlich über den Flur zu unserem Schlafzimmer. Von unten klang lautes Gelächter zu mir
     herauf. Wie konnten sie lachen, wenn sie doch an einer so scheußlichen Fallanalyse arbeiteten?
    Conny, sei kein Idiot. Sie arbeiten, aber sie sind auch Menschen. Es ist eine Fallanalyse und betrifft sie nicht persönlich.
     Es ist ihr Job, die Fakten zusammenzutragen und zu bewerten, und hat nichts mit ihnen und ihrem Leben zu tun.
    Das war mein größtes Problem. Ich zog mir in letzter Zeit jeden Schuh an, der mir in den Weg kam. Vor allem solche, die mir
     gar nicht passten. In der Theorie

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