Lohn des Todes
waren zerwühlt. Fassungslos starrte ich darauf, dann schrie
ich laut auf, stürzte mich auf das Bett. Ich zog die Laken ab, die Bezüge, boxte wie wild in die Kissen. Schließlich beruhigte
ich mich, stopfte die Bettwäsche in die Waschmaschine. Maria würde nie wieder dieses Haus betreten.
Nach gut zwei Stunden war alles gesaugt und gewischt. Es duftete nicht nach Vanille, sondern nach Orange, und darüber war
ich froh. Trotzdem war mir übel. Ich hatte noch nicht |156| viel gegessen, aber der Hunger war mir vergangen. Ich zog meine Laufschuhe an und rief Charlie zu mir. Es hatte aufgehört
zu regnen. Der Wald roch intensiv nach Tanne und Erde. Nach Friedhof, dachte ich, aber dann sah ich die frischen Ranken und
Blätter, alles wuchs und gedieh. Fast alles.
Ich hatte meine Jeans angelassen, nur die Schuhe gewechselt, als ich loslief. Das Vibrieren des Handys in meiner Hosentasche
riss mich aus meinen Gedanken.
»Conny? Robert hier.« Er klang fassungslos. »Ich glaube, wir haben eine Spur.«
»Bitte?«
»Conny … wo bist du?«
»In der Eifel.« Ich hielt an, schöpfte Luft. Sie hatten eine Spur zu dem Täter?
»In Hechelscheid?«
»Wo sonst? Ihr habt ihn?«
»Nein.« Robert schwieg. Ich ging ein paar Schritte, spürte plötzlich den Wind in meinem schweißnassen Nacken, es begann wieder
zu regnen. »Nein, aber wir wissen, wer es vermutlich ist. Sonjas Vater. Hier ist die Hölle los, denn er scheint flüchtig zu
sein.« Wieder stockte er.
»Und? Was passiert jetzt?«
»Die Ermittlungen laufen. Für die OFA wäre es wichtig, wenn wir abschließende Ergebnisse zusammenfassen könnten. Für die Datenbank,
für künftige Ermittlungen. Noch beziehen wir uns hauptsächlich auf das ViCLAS – eine kanadische Datenbank.«
Violent Crime Linkage Analysis System, ich hatte darüber gelesen. Das BKA in Wiesbaden war dabei, eine eigene Datenbank zu
erstellen, ähnlich der in Kanada.
»Du möchtest, dass wir uns noch mal treffen und die Ergebnisse in die Datenbank eintragen? Obwohl der Fall aufgelöst ist?«
»Ja, Conny, es ist wichtig. Für künftige Fälle.« Robert hielt inne, schnaufte. »Außerdem ist der Täter noch nicht gefasst,
der Fall noch nicht gelöst.«
|157| Es war schwer vorstellbar für mich, dass Sonjas Vater diese Taten begangen hatte. Ich kannte ihn, hatte ihn getroffen, gesprochen.
Ein netter Mann, unverbindlich, aber doch freundlich. Und er war ein brutaler Mörder? Es wollte nicht in meinen Kopf. Vielleicht
war so eine Datenbank wirklich wichtig, Fakten zusammentragen, Fehler eliminieren, Täter erkennen. Ich hatte mit Rainer Kluge
telefoniert, nur ein paar Tage war es her, und nichts geahnt.
»Treffen wir uns in Köln?«, fragte ich.
Robert holte tief Luft. »Hier ist er Teufel los. Es ist wirklich die Hölle. Eine SOKO kurz vor dem Zugriff.« Er zögerte. »Kann
ich zu dir kommen? In die Eifel? Dort haben wir Internet und Fax. Und Ruhe für die Zusammenfassung.«
»Hierhin?« Ich schluckte. Hier hatte alles angefangen. Nur ein paar Tage war es her, aber mein Leben war seitdem ein anderes.
Maria würde ich nicht ertragen.
Robert schien meine Gedanken gelesen zu haben. »Nur du und ich, vielleicht Martin? Nur wenn du es kannst.«
»Was ist mit Julius und Thorsten?«
»Die sind beide bei der SOKO, da wird jetzt jeder Mann gebraucht. Aber sie bleiben mit mir in Kontakt.«
»Na gut.«
Eine gute Stunde später fuhr Roberts Wagen auf den Hof. Inzwischen hatte es sich eingeregnet. Die Wolken hingen dicht über
den Hügeln, den See konnte man nicht mehr erkennen. Ich hatte Feuer im Ofen gemacht, mir eine Kanne Tee gekocht. Müde stand
ich auf, um ihm die Tür zu öffnen. Er trug einen Karton.
»Willst du direkt hier einziehen?« Ich lächelte schief.
»Was?«
Ich zeigte auf den Karton.
»Ach nein.« Robert grinste verlegen. »Das sind Unterlagen, mein Laptop, Sachen für die Datenbank … drei Handbücher zum Beispiel.
Ich bin im Umgang damit noch nicht wirklich sicher.«
|158| »Jugend forscht?«
Jetzt lachte Robert laut auf, es platzte aus ihm heraus. »Die Kanadier sehen es bestimmt so.« Er folgte mir ins Haus, stellte
den Karton im Esszimmer ab. »Schön dich zu sehen, Conny.« Dann betrachtete er mich nachdenklich. »War es keine gute Idee von
mir hierherzukommen?«
»Warum?«
»Sei mir nicht böse, aber du siehst elend aus. Was ist passiert?«
Ich stöhnte auf. »Die letzten Tage waren ein wenig viel.«
»Warum hast du das nicht
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