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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Mädchen erinnern, Conny, aber die Akten sind im Archiv. Du meinst, sie hätte eine kindliche Schizophrenie
     entwickelt? Apathie, Sprachzerfall und affektive Störungen könnten tatsächlich auch Hinweise auf Missbrauch sein. Das Kind
     zieht sich in sich selbst zurück und |190| schützt sich so. Man nimmt ja auch an, dass multiple Persönlichkeiten aus dem Grund entstehen. Hm.« Sie schwieg einen Moment.
     »Aber ich bin mir sicher, dass wir das überprüft haben, auch aus medizinischer Sicht. War das Jugendamt involviert?«
    »Das kann ich dir nicht sagen, meine Unterlagen sind unvollständig. Ich war damals AIP.«
    »Und der Vater ist der Täter? Ganz sicher? Ich meine, wenn sie hier stationär war, haben wir auch die Eltern in Augenschein
     genommen.«
    »Die Eltern waren sehr kooperativ, sie haben das Kind einweisen lassen, wollten ihr dringend helfen.«
    »Naja, das kann auch eine Maßnahme gewesen sein, um unschuldig zu erscheinen. Du kennst das doch – Leute, die ihre Kinder
     schlagen und alle naselang zum Arzt rennen. Oder Münchhausen-Stellvertreter. Es gibt so viele abnorme Menschen, die aber völlig
     normal reagieren.« Sie seufzte.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben oder denken soll. Ich kenne den Mann. Flüchtig, aber immerhin. Im Moment erscheint mir,
     dass wir jeden Tag einen neuen Toten finden, den er in den letzten Jahren ermordet hat.« Ich fuhr mir durch die Haare. »Es
     ist gruselig. Alles alte Menschen bis auf Sonja.«
    »Vielleicht hat er mit Kindern angefangen, aber sie haben ihm nicht den richtigen Kick gegeben? Er hat seine Opfer gequält?«
    »Sie mussten hungern und dursten. Vermutlich hat er sie gleich zu Beginn geknebelt, damit sie nicht schreien konnten.«
    »Aber sagtest du nicht, dass sie auch oral vergewaltigt wurden?«
    »Möglicherweise hat er das post mortem getan oder als sie schon sehr geschwächt waren.« Irgendetwas hing mit diesem Gedanken
     zusammen, ich kam aber nicht darauf, was.
    »Erwachsene kann man ganz anders quälen als Kinder. Sie wissen, was mit ihnen passieren wird, haben Todesangst. Kinder glauben
     immer erst einmal an das Gute. Aber von pädophil |191| auf gerontophil? Das erscheint mir doch sehr gewagt. Ich habe auch noch keinen Fall erlebt, der so gelagert war.«
    »Jutta, ich glaube nicht, dass die Fälle einen rein sexuellen Hintergrund haben. Es geht um etwas anderes. Rache, Strafe.«
     Ich erzählte ihr von den Münzen.
    »Ein Fetisch? Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Der Täter spricht seine eigene Sprache, ihr könnt sie nur nicht übersetzen.
     Es gibt ansonsten keinen Zusammenhang zwischen den Toten?«
    »Bisher nicht. Kluge hat nichts mit der Gastronomie zu tun. Ich weiß auch gar nicht, ob das letzte Opfer in dem Bereich tätig
     war. Das wäre eine weitere Spur, abgesehen von den Münzsammlungen.«
    »Es wird ein Motiv geben. Und ich glaube auch, dass Sonja einfach nur Zeuge war, sie dafür bluten musste, und – auf gut Deutsch
     – die Fresse hat er ihr auch poliert und somit den Kiefer gebrochen.« Sie stöhnte leise. »Schrecklich. Ich habe bis morgen
     Mittag Dienst. Soll ich nach der Akte suchen?«
    »Das wäre toll, vielleicht finde ich etwas, was brauchbar ist.«
    »Nach so vielen Jahren? Eher unwahrscheinlich.«
    »Jeder kleinste Hinweis könnte uns weiterbringen. Wir klammern uns schon verzweifelt an Strohhalme.«
    »Angesicht all dieser Grausamkeiten, wärst du nicht doch an einer Stelle bei uns interessiert?«
    Ich lachte. »Nein. Bis zwölf hast du Dienst? Ich komme morgen vorbei. Danke, Jutta.«
    Grübelnd legte ich das Telefon zur Seite, starrte auf den Monitor des Laptops. Ich gab verschiedene Begriffe rund um Münzen
     und Sammlungen ein, kam aber nicht weiter. Das Gefühl, auf der falschen Fährte zu sein, verstärkte sich. Aber wenn es nicht
     um Münzen ging, worum dann? Ich gab den Namen Rainer Kluge ein, fand einen Landesbeauftragten für Behinderte in Potsdam und
     einen Dr. Rainer Kluge, ein Arzt in Aachen. Unser Rainer Kluge erschien nicht auf den ersten Seiten, aber es gab zweihundertdreiundzwanzigtausend |192| Einträge zu dem Namen. Ich versuchte es mit dem Namen und Münzen, Sammlungen, Vereine – kein Treffer.
    Das Handy klingelte, genervt schaute ich auf das Display. Wenn Martin jetzt anrief und irgendetwas säuselte, würde ich kommentarlos
     auflegen. Roberts Nummer wurde angezeigt. Gab es etwas Neues?
    »Robert?« Ich atmete flach.
    »Guten Abend, Conny.« Er räusperte sich. »Wie geht es

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