Lohn des Todes
fürchtete mich vor weiteren
schlechten Nachrichten, dann hörte ich sie ab.
Martin teilte mir mit, dass er sich verspäten würde. Immerhin hat er vor, nach Aachen zu kommen, und bleibt nicht in Köln,
dachte ich erleichtert. Robert bat mich um Rückruf. Ich tippte die Nummer, lauschte dem atmosphärischen Rauschen.
»Kemper.« Er klang gehetzt.
»Du hattest mich um Rückruf gebeten.«
»Conny. Ja, ich habe mit den Beamten gesprochen, die den Diebstahl am Wagen deiner Schwester bearbeiten. Es war Blut im Fahrzeug.«
»Was?« Ich tastete nach dem nächsten Stuhl, setzte mich. »Ritas?«
»Das war zuerst unklar, hat sich aber nun aufgeklärt. Die Jungen haben den Wagen gestohlen, als der Tank dann so gut wie leer
war, fanden sie es lustig, den Wagen in einen Graben zu fahren. Dabei hat sich einer der Jungen verletzt. Sie ließen das Auto
stehen und haben sich verdrückt. Dadurch, dass sie |183| aktenkundig sind, ist man schnell auf sie gestoßen. Sie sind geständig. Das Blut stammt von einem von ihnen.«
»Gott sei Dank«, murmelte ich.
»Die Polizei hat sich allerdings gewundert, dass das Auto nicht als gestohlen gemeldet wurde. Immerhin hatten die Jungs es
fast eine Woche.«
»Rita ist auf Reisen.«
»Immer noch?«
»Ich vermute schon. Miststück, sie weiß, dass unsere Mutter einen Unfall hatte. Sie könnte sich ja wenigstens melden.«
Robert schwieg einen Augenblick zu lange.
»Ist da noch etwas?«
»In die Wohnung deiner Schwester wurde auch eingebrochen. Die Jungs schwören, dass sie das nicht waren. Hast du irgendeinen
Anhaltspunkt, wo deine Schwester sein könnte und mit wem?«
Mein Mund wurde trocken, plötzlich klebte meine Zunge am Gaumen.
»Sie sagte, sie sei in Prag. Mit wem, weiß ich nicht«, brachte ich mühsam hervor.
»Ich bleibe mit den Kollegen in Kontakt. Falls ich etwas erfahre, werde ich es dir mitteilen. Wenn du deine Schwester erreichen
solltest oder sie sich bei dir meldet, dann sag es mir bitte.«
Ein befremdendes Gefühl beschlich mich bei seinen Worten. Sollte wirklich etwas passiert sein? Sonja fiel mir ein. Wann war
sie vermisst worden und von wem? Es hatte keine Vermisstenanzeige gegeben. Ihr Vater war angeblich während dieser Zeit auf
Geschäftsreise gewesen. Inzwischen wussten wir, dass sein Trip ein ganz anderer war. Ich hatte am Wochenende zuletzt mit meiner
Schwester gesprochen. Heute war Donnerstag. Mir war durch und durch kalt. Ich versuchte, meine Mutter zu erreichen, legte
jedoch nach dem dritten Klingeln auf. Sie würde mir meine Panik anhören, etwas, das sie ganz sicher nicht gebrauchen konnte.
Ich nahm mir einen Grappa, trank ihn in einem Schluck, schenkte mir erneut ein.
|184| Ich ging auf den Balkon, aber eine feuchte Kälte hatte sich über die Stadt gelegt. Unruhig suchte ich nach Ablenkung, griff
schließlich zu der Mappe mit den Fallberichten.
Agnes Koschinski, siebzig Jahre, verheiratet mit Adolf Koschinski. Zum Zeitpunkt ihres Todes lebte der demente Mann in einem
Pflegeheim, die Frau wohnte noch in ihrer Wohnung. Da sie ihn jeden Tag besuchte, wurde sie nach zwei Tagen als vermisst gemeldet.
In ihrer Wohnung war keine Spur von ihr zu finden. Einen Tag später lud der Täter die Leiche nachts auf einem Autobahnparkplatz
ab. Er legte sie nackt und breitbeinig auf einen der Picknicktische. Ich schluckte, überschlug die Fotos, wollte nicht noch
mehr grausige Bilder im Kopf haben.
Sie trug deutliche Spuren von Fesseln, Gewebeband um Hand- und Fußgelenke sowie über den Mund. Sie war vaginal vergewaltigt
worden und auch oral. Dies aber post mortem. Ihr Magen war eingefallen und leer, aber nicht geschrumpft wie bei den anderen
Opfern. Sie war an Herzversagen gestorben, und dies vermutlich zu früh für den Täter. Ich schlug die Mappe zu, schloss die
Augen und vergrub mein Gesicht in den Händen.
Charlie kam zu mir, stupste mich an. Ich kraulte ihn hinter den Ohren. Plötzlich drehte er den Kopf, sah zur Tür. Martin schloss
die Tür auf.
»Conny?« Er kam zu mir, küsste mich. »Es ist eiskalt hier in der Wohnung. Hat das einen Grund?«
Erst jetzt merkte ich, dass die Kälte durch die offenen Fenster kam und mich nicht von innen beschlich. Wir schlossen die
Fenster, Martin stellte die Heizung an. Er rieb meine eiskalten Hände zwischen seinen warmen, gab mir eine Decke.
»Warum hast du hier in der Kälte gesessen? Du wirkst ganz durchgefroren.«
»Ich habe nicht gemerkt, dass die Fenster noch
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