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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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diesmal wäre er der Richtige, dachte, wir wären Seelenverwandte. Es schien alles zu passen.«
    »Und?« Ich versuchte, meinen Ärger zu unterdrücken.
    »Er ist verheiratet.« Jetzt weinte sie haltlos. »Und seit gestern wieder bei seiner Frau.«
    »Was hast du erwartet? Dass er sich scheiden lässt? Wie lange kennst du den Typen schon?«
    »Näher kenne ich Bernd bestimmt vier Monate. Wie kann ich mich so in ihm getäuscht haben? Er hat mir so viel versprochen.«
    »Vier Monate? Das ist ja fast eine Ewigkeit. Mensch, Rita, reiß dich zusammen.«
    »Das verstehst du nicht, Conny. Diesmal war es wirklich etwas anderes. Mutti wäre begeistert gewesen, sie mag ihn so sehr.«
    »Mutter kennt ihn?« Ich schüttelte den Kopf, hatte meine Mutter nicht gesagt, sie hätten keine Ahnung, wo Rita wäre und mit
     wem?
    »Es ist Dr. Bernd Lawien.«
    »Der Hausarzt? Dieser selbstgefällige Kerl, der ständig mit Fremdwörtern um sich schmeißt und meint, er wäre Gottes |198| Geschenk an die Frauen? Rita, wie kannst du nur?« Ich schüttelte entsetzt den Kopf.
    »Er sagte, er liebt mich.«
    »Der sagt viel, wenn der Tag lang ist. Bei dir ist eingebrochen worden, weißt du das schon?«
    »Nein.«
    »Was ›nein‹? Du weißt es nicht? Die Polizei sprach von durchwühlten Schränken und Schubladen.«
    »Nein, es ist nicht eingebrochen worden.« Nun klang ihre Stimme unsicher und beschämt. »Es war eine spontane Reise und musste
     schnell gehen. Ich habe wohl beim Packen ein wenig Unordnung gemacht und vergessen, die Tür zu schließen.«
    Ich räusperte mich, hätte sie am liebsten angebrüllt. »Du bist für ein paar Tage weggefahren und lässt die Tür offenstehen?
     Dein Wagen wurde auch gestohlen.«
    »Ich weiß«, sagte sie kleinlaut. »Aber Vati kauft mir hoffentlich einen neuen.«
    Sicher, dachte ich und merkte, dass ich nicht mehr dazu bereit war, dieses Gespräch weiter fortzuführen. »Melde dich bei den
     Eltern und bringe endlich dein Leben in Ordnung. Es ist ja nicht zu fassen.«
    Ich legte auf, wählte direkt die Nummer meiner Eltern.
    »Rita ist zu Hause, ihr geht es gut«, sagte ich direkt.
    »Was? Wirklich?« Es klang so, als würden meiner Mutter die Tränen der Erleichterung in die Augen schießen. Ich biss den Kiefer
     zusammen, bis es schmerzte.
    »Ja, wirklich. Es steckte ein Mann dahinter. Der ist aber jetzt schon wieder Geschichte.« Ich seufzte laut auf. »Wie immer.
     Und in ihre Wohnung wurde auch nicht eingebrochen. Sie selbst hat das Chaos veranstaltet und die Tür aufstehen lassen.«
    »Ich bin so froh, dass es ihr gut geht«, sagte meine Mutter.
    »Ja, das denke ich mir. Eine Sorge weniger. Wie geht es dir?«
    »Ganz gut. Conny, ich möchte Rita anrufen, das verstehst du doch sicher.«
    |199| Na klar, dachte ich, nachdem ich auflegt hatte. Rita, immer nur Rita. War ich etwa eifersüchtig auf eine Frau, die ihr Leben
     nicht in den Griff bekam?
    Als Robert und Charlie wiederkamen, hatte ich mich einigermaßen beruhigt. Fast hätte ich darüber lachen können. Ich erzählte
     Robert von dem Telefonat mit meiner Schwester.
    »Hat sie die Kollegen der örtlichen Polizei schon angerufen?«
    Ich lachte tonlos. »Sie ist seit gestern zu Hause, hat weder mich noch meine Eltern informiert und die Polizei bestimmt auch
     nicht.«
    »Dann erledigen wir das mal eben.« Er ging in den Flur, um zu telefonieren.
    Ich nahm den Whisky von der Anrichte, schenkte uns ein, reichte ihm ein Glas, als er in das Wohnzimmer zurückkehrte.
    »Absacker?«
    »Gute Idee.« Nachdenklich schwenkte er das Whiskyglas. »Du bist deiner Schwester nicht besonders eng verbunden, oder?«
    »In einem Atemzug mit meiner Schwester könnte ich eine Aufzählung europäischer Nutztiere nennen.« Ich lächelte schief.
    »Liegt es an deiner Mutter?«
    »Bitte?«
    Robert holte tief Luft, sah mich dann an. »Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich hatte so den Eindruck. Es schien mir,
     als würden sich deine Eltern sehr um deine Schwester sorgen. Aber nicht um dich.«
    Ich biss mir auf die Lippe, nagte daran. »Möglich, aber bei mir gibt es auch nicht soviel, worum man sich Sorgen machen müsste.«
    »Wissen sie von deinen Problemen mit Martin?«
    »Nein.«
    »Dachte ich mir.« Er trank den Whisky aus und stand auf. »Gute Nacht, Constanze.«
    Langsam ging er die Treppe hoch. Ich mochte seine ruhige |200| und bedächtige Art. Hatte er recht mit seinen Worten? Ich gab meinen Eltern keinen Anlass zur Sorge, ließ sie nicht an meinen
    

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