Lohn des Todes
füllten den Raum. Ich schloss die Augen,
genoss das heiße Wasser, versuchte nicht nachzudenken. Und trotzdem kehrten meine Gedanken immer wieder zu den Fällen zurück.
Der Täter hatte auch die Frau in der Pfalz markiert, hatte Martin gesagt. Das hatte etwas, eine Note, an die ich bisher noch
nicht gedacht hatte. Es war wie ein Blutzoll, eine Summe, entrichtet, um für den Tod zu zahlen. Heiermänner, Fünfmarkstücke.
Der Wert und die Bedeutung lagen nicht in der Münze an sich, die Symbolik |205| war eine andere. Es hatte nichts mit Münzen zu tun, sondern mit Bezahlung. Oder täuschte ich mich da? Wir hatten immer noch
zu wenig Informationen.
Kluge leistete einen Blutzoll, dachte ich, er legt den Toten Münzen bei, gibt ihnen Geld für den Tod. Das macht er, weil …
mir wollte nichts einfallen. Er musste schon früher mit den Opfern Kontakt gehabt haben, noch zur Zeit der Mark. Vielleicht
hatten sie ihn betrogen. Aber waren fünf Mark eine Summe, wegen der man mordete? Jahre später und immer wieder? Zorn konnte
nicht das Motiv sein, nicht normaler Zorn, der verraucht irgendwann. Ich starrte in den Dampf, sah Muster. Ein Rorschachtest.
Was siehst du da, Conny, fragte ich mich, was siehst du im Dampf? Nichts, was ich fassen konnte.
Eine halbe Stunde später saß ich vor dem Kamin, Sonjas Akte in den Händen, als das Telefon klingelte.
»Robert?«
»Wir haben eine neue Information.« Er holte tief Luft. »Aber sie bringt uns nicht wirklich weiter. Agnes Koschinski, das Opfer
aus der Pfalz, hat früher in Aremberg gewohnt.«
»Was bedeutet das?«
»Wenn ich das wüsste, hätten wir den Fall vielleicht schon gelöst. Koschinski hat Ende der siebziger, Anfang der achtziger
Jahre in Aremberg gewohnt. Sie war zu der Zeit weder verheiratet noch berufstätig. Was sie da gemacht hat, außer dort zu wohnen,
wissen wir nicht. Sie hat Anfang der neunziger ihren Mann geheiratet, da war sie schon über fünfzig Jahre alt, und ist in
die Pfalz gezogen.«
»Hatte sie etwas mit der Gastronomie zu tun?«
»Das wissen wir nicht. Wir suchen noch nach Verbindungen.«
»Tellerwäscher oder Putzfrauen, einfache Küchenkräfte werden oft schwarz beschäftigt.«
»Das ist richtig, aber wir brauchen Fakten, und die haben wir nicht.«
»Gibt es irgendeine Verbindung von Kluge zu Aremberg?«
|206| »Nein, bisher nicht. Er hat laut Einwohnermeldeamt nie dort gewohnt, nicht dort gearbeitet, nichts.«
»Und zu den Nachbardörfern?«
Robert stöhnte leise auf. »Nein, auch nicht bisher.«
»Hatte die Koschinski eine Verbindung zu Münzen?«
»Nein, nicht, dass wir wüssten.«
»Habt ihr eine Spur von Kluge?«
»Nein.« Er klang verbittert.
»Robert, meist lösen sich die Knoten ganz unerwartet. Aremberg ist eine neue Spur.«
»Ja, wieder eine, die ins Leere läuft. Ich habe das Gefühl, Schatten zu boxen. Der Feind ist vor mir, aber ich kann ihn nicht
greifen. Es ist wie verhext. Wir haben noch nicht alles ausgeschöpft. Die Koschinski ist auch ein Cold Case – ein ungeklärter
Fall, der zu den Akten gelegt wurde. Die Berichte sind aus zweiter Hand. Niemand von uns war am Fundort, hat die Leiche gesehen.
Nach der Zeit verblassen die Spuren, auch die beteiligten Beamten vergessen Details. Nicht alles findet Platz in den Protokollen.
Es ist mühsam.«
»Das glaube ich dir aufs Wort. Und dennoch kommen wir mit jeder Information weiter.« Ich lächelte. »Du wirst es nicht übers
Knie brechen können.«
»Das weiß ich ja, es ist trotzdem frustrierend, Conny.« Er hielt inne, atmete tief durch. »Du bist sicher wieder in Hechelscheid?«
Ich zögerte kurz. »Ja.«
Robert setzte an, etwas zu sagen, verschluckte es aber dann, schwieg.
»Es ist Wochenende. Wir waren über ein Jahr lang immer am Wochenende hier im Haus und haben hier gearbeitet. Nun ist alles
fertig, und eigentlich könnten wir es nun genießen. Nebel zieht auf über dem See, der Mond steht am Himmel, nicht wirklich
sichtbar, eher wie mit Puderzucker überzogen. Es wäre wunderschön, hätte der Bauer nicht das Feld gedüngt.« Ich lachte leise.
»Kommt Martin?« Robert klang verhalten.
|207| »Ich weiß nicht, er hat sich noch nicht gemeldet.«
Nun schwiegen wir beide. Ich wollte Robert hierher bitten, trotz der Fahrt und allem anderen. Ich kannte ihn kaum, und doch
hatte er mich in meiner Seele berührt. Aber ich konnte es nicht, konnte die Worte nicht über die Lippen bringen. Innerhalb
von Sekunden kann man
Weitere Kostenlose Bücher