Lokalderby
die Kugel-Apotheke und besorge das Nötigste.« Sie strich Paul zum Abschied übers Haar. »Bleib solange einfach still liegen.« Und dann, sorgenvoll: »Wenn Mama das erfährt, springt sie im Karree. Sie hat gedacht, dass du dich mit einer Bagatelle beschäftigst. Wenn sie gewusst hätte, dass dir so was passieren könnte, hätte sie es dir nie im Leben erlaubt.«
Damit eilte sie aus der Wohnung und ließ einen derangierten Paul Flemming an der Seite eines höhnisch feixenden Victor Blohfeld zurück. Der grinste über beide Backen, als er Hannah nachäffte: »Hätte sie nie im Leben erlaubt.« Der hagere Reporter lachte laut auf. »Sie scheinen ja ganz schön unterm Pantoffel zu stehen, Flemming. Nach kaum einem Jahr Ehe schon kapituliert?«
»Davon kann nicht die Rede sein«, wehrte sich Paul, dem noch immer jeder Knochen wehtat.
Blohfeld umrundete das Krankenlager mit einem süffisanten Lächeln in seinem fahlen Gesicht. »Ich hatte Sie ja gewarnt«, sagte er ohne jede Betonung, sodass es wie eine beiläufige Bemerkung klang.
»Vor was gewarnt?«, fragte Paul und dachte, dass der Reporter auf seine Club-Recherchen anspielte.
»Nun ja. Vor der Ehe an sich. Und insbesondere vor Ihrer Ehefrau.«
»Blohfeld!«, stieß Paul entnervt aus. Dieses Thema und Blohfelds ganz spezielle Auffassung darüber hatte ihm jetzt gerade noch gefehlt.
Doch der Reporter ließ sich nicht bremsen: »Ich habe mich ja lange gefragt, was mit dieser Frau nicht stimmt – ich meine abgesehen davon, dass sie Staatsanwältin ist. Nun weiß ich es: Sie ist nicht nur blond, sondern auch blind.«
»Blind? Was soll der Unsinn?«
»Blind nicht im landläufigen Sinn, sondern was ihre Sicht auf Sie betrifft, Flemming. Ihr Blick auf Sie ist verzerrt. Sie denkt, Sie würden sich zum guten Ehemann eignen, was eine völlige Fehleinschätzung ist. Sie kennt zwar Ihren Lebenslauf, hat somit ausreichend Beweismaterial und Verdachtsmomente, und doch glaubt sie felsenfest, sie könnte Sie umkrempeln und zum ehrlichen, liebenden und vor allem treuen Ehegatten machen.«
»Ich bin ein guter Ehemann«, hielt Paul dagegen und richtete sich auf seinem Sofa unter Schmerzen auf. »Zumindest gebe ich mir alle Mühe.«
»Dafür würde ich meine Hand lieber nicht ins Feuer legen.«
»Katinka findet auch, dass es mit uns gut läuft«, behauptete Paul und ärgerte sich im selben Moment darüber, dass er sich Blohfeld gegenüber rechtfertigte.
»Ihr unerschütterlicher Optimismus ist rührend.«
Paul schwieg, denn insgeheim musste er Blohfeld zugestehen, dass sich das fortwährende Durcheinander in seinem Leben durch die Ehe nicht wirklich gelegt hatte. Er hatte erwartet, dass allein schon durch den gemeinsamen Haushalt ein grundlegender Wandel in seinen Lebensabläufen eintreten würde und er insgesamt ruhiger, besonnener und – ja – bodenständiger werden würde. Doch nichts dergleichen war bisher geschehen. Das Chaos war immer noch da. Allmählich begann er zu begreifen, dass das Leben – abgesehen von Schicksalsschlägen – immer ähnlich blieb. Es war ein Trugschluss, zu glauben, dass er eines Tages bei einer Art Zieleinlauf ankommen würde, wo er alle Fähigkeiten, mit dem Alltag und seinen Herausforderungen zurechtzukommen, beherrschen würde und schlicht vor sich hinleben könnte. Dass er die mitunter recht wilde Vergangenheit hinter sich lassen und an Katinkas Seite im Einklang mit sich selbst ein geordnetes, ruhiges bis heiteres Privatleben führen könnte. Eine solche Ruheoase war sein Leben lang nie in Sicht geraten. Und sie war es auch jetzt nicht. Insofern mochte Blohfeld recht behalten: Paul war und blieb ein Reisender, bei dem nicht das Ziel, sondern die Reise selbst das Leben bestimmte.
Ein beherzter Klopfer auf die Schulter riss ihn aus seiner Selbstanalyse. »Na? Waren meine Ablenkungsmanöver erfolgreich?«, fragte Blohfeld.
»Wie? Was?«
»Habe ich mit meiner Plauderei die Schmerzen gelindert? Mehr wollte ich nämlich gar nicht erreichen. Denn in Ihrer Ehe läuft es in Wirklichkeit doch rosig – oder?«
Paul stutzte, erkannte die Falle und sagte: »Ja, es läuft mehr als nur rosig.« Er setzte eine ernste Miene auf, als er anschloss: »Weniger rosig könnte es für Sie laufen, Blohfeld, wenn sich herausstellen sollte, dass Ihre Zeitung in den Tod von Busfahrer Buggi verwickelt ist.«
Nun war es der Reporter, der in die Defensive geriet. Für ihn ein ungewohnter Zustand: »Worauf spielen Sie an?«, fragte er verhalten.
»Mir ist
Weitere Kostenlose Bücher