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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Ultraszene einzutauchen, erschien ihm nicht ratsam.
    Mitten in seine Abwägungen platzte Rita Frenzel mit einem aufgeregten Fingerzeig auf die Tür des Ladens: »Das ist er!« Als Paul nicht sofort reagierte, wiederholte sie: »Das ist er! Fränki!«
    Paul, der einen schwarz gekleideten Kerl erwartet hatte, sah einen mittelgroßen Mann mit Jeansjacke und einem Käppi in Vereinsfarben. Eine Kippe im Mund, entfernte er sich lässig schlendernd.
    »Wollen Sie denn nichts unternehmen?«, fragte Rita unruhig.
    Paul hob unschlüssig die Schultern. »Unternehmen? Was denn?«
    »Verfolgen! Sie müssen ihn verfolgen und an ihm dranbleiben!«
    Für den Moment glaubte Paul, dass ihn Rita auf den Arm nahm. Denn wen glaubte sie vor sich zu haben? Etwa einen Polizisten oder Detektiv? Ihm wurde jedoch sehr schnell klar, dass sie ihm bloß einen Gefallen tun wollte.
    Ehe Fränki um die nächste Hausecke verschwinden und sich seinem Blickfeld entziehen konnte, rief Paul der Informantin ein flüchtiges »Danke!« zu und eilte dem Mann hinterher.
    Von der Ludwigstraße bog Fränki auf den Jakobsplatz ab, trottete betont langsam an einem Gemüsestand vorbei, kaufte jedoch nichts, sondern setzte seinen Weg durch die Engelhardsgasse fort. Paul folgte ihm, wobei er den Abstand mehr und mehr vergrößerte. Denn hatte er sich auf dem Jakobsplatz noch zwischen den vielen Passanten verbergen können, trafen sie nun nur noch vereinzelt auf Fußgänger. Glücklicherweise schaute sich Fränki nicht um, sodass Paul vorläufig nicht als heimlicher Schatten auffiel.
    Fränki wandte sich nach links in Richtung Färberstraße. An der Frauentormauer wurde es für Paul als Verfolger heikel, denn in diesen bereits zum Rotlichtmilieu zählenden Teil der Altstadt verirrten sich nur sehr wenige. Wenn überhaupt, dann waren es Touristen auf Abwegen oder Freier. Paul entschied sich zwecks eigener Tarnung für letztere Personengruppe und glotzte demonstrativ in die Fenster der Mietshäuser, hinter denen einige eher gelangweilt als betörend wirkende Liebesdamen auf Kundschaft warteten. Sollte sich Fränki jetzt nach ihm umdrehen, müsste er Paul für einen Freier halten.
    Seine Rolle mimend schlenderte Paul weiter und lächelte einer mindestens Fünfzigjährigen mit stark geschminktem Gesicht zu, die sich samt ihrer üppigen Oberweite auf einen Fenstersims lehnte. Sie fasste seine gespielte Freundlichkeit offenbar als Interesse auf und rief mit rauchiger Stimme: »Na, Süßer, wie wär’s mit uns beiden?«
    »Heute nicht«, bemühte sich Paul um eine höfliche Absage.
    »Für dich mache ich es sogar zum halben Preis«, versuchte sie ihn zu ködern und wedelte mehr oder weniger verlockend mit ihrer Lockenperücke. »Na, was sagst du? Ist das ein Angebot?«
    »Sehr schmeichelhaft, aber danke, nein.«
    Nichts wie weg, dachte er sich, sah wieder nach vorn – und fand die schmale Straßenschlucht menschenleer vor! Paul hatte im Gespräch mit der Frau schätzungsweise fünf Sekunden nicht auf Fränki geachtet, nun war er verschwunden.
    Das gibt es doch nicht!, ärgerte sich Paul über die eigene Nachlässigkeit. Wo konnte Fränki so schnell hingegangen sein? Bis zum Färbertor hätte er es in der kurzen Zeit nicht geschafft. Und über die Stadtmauer war er gewiss nicht geklettert. Blieb nur die Möglichkeit, dass er eines der Häuser betreten hatte. Wahrscheinlich, um eine Nummer zu schieben.
    Mit dieser vagen Annahme im Hinterkopf schritt Paul die Häuserzeile langsam suchend ab. Beim ersten Eingang hielt er inne, drückte die Klinke und öffnete sie. Er warf einen Blick in einen halbdunklen, schäbig wirkenden Flur. Aus den Wohnungen drangen gedämpfte Geräusche wie Musik, Stimmen und das Klirren von Geschirr an sein Ohr. Zu sehen war niemand.
    Also versuchte Paul sein Glück beim nächsten Haus. Auch hier fand er die Tür unverschlossen vor. Er stieß sie auf und sah sich in dem Foyer um, das seine besten Jahre lange hinter sich hatte. Paul wollte sich schon umdrehen, um seine Suche im Nachbargebäude fortzusetzen, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.
    Für eine Abwehrreaktion irgendeiner Art war es zu spät. Paul spürte den Luftzug der heranschnellenden Faust, noch ehe er die eigenen Hände heben konnte. Ein saftiger Kinnhaken traf ihn mit erdbebenähnlichen Auswirkungen. Paul hörte das Krachen seines Kiefers. Rückwärts prallte er gegen die kalte, geflieste Flurwand und sank daran herab.
    Nur wenig trennte ihn von einer Ohnmacht. Und so

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