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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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war eng und wenig repräsentativ. Ebenso bescheiden fiel der Blick aus den beiden Fenstern aus, der nicht etwa zum belebten Jakobsplatz oder auf die monumentale St. Elisabethkirche führte, sondern in den wenig ansehnlichen Innenhof, in dem der Fuhrpark untergebracht war. Früher, wusste Paul, hatte Jasmin in einem schöneren Raum arbeiten dürfen, doch seit ihr Chef, der alte Kripoleiter Konrad Keller, vor einem Jahr in den Ruhestand gegangen war, hatte sich viel verändert. Mit einem neuen Mann an der Spitze, dem ebenso selbstverliebten wie – Pauls Meinung nach – unfähigen Winfried Schnelleisen, wehte ein anderer Wind durch die Flure des Kommissariats. Nicht unbedingt ein frischer – auf jeden Fall einer, der Jasmin nicht bekam. Ihren Karriereambitionen wurde seit Schnelleisens Amtsantritt ein Riegel vorgeschoben, und auch das miese neue Büro hatte sie ihm zu verdanken. Der Grund dafür? Paul konnte es sich denken: Jasmin war dem eher trägen und begriffsstutzigen Schnelleisen ganz einfach zu pfiffig, intelligent, professionell und somit brandgefährlich für seine eigenen Aufstiegspläne. Schnelleisen wollte mit allen Mitteln verhindern, dass jemand auf die Idee kommen könnte, an seinem Stuhl zu sägen.
    »Was gibt’s denn, Paul?«, fragte sie ihn, wobei ihr sommersprossiges Gesicht eine gehörige Dosis Skepsis aufwies. »Magst du mich zum Kaffee beim Beck am Weißen Turm einladen?«
    Paul trat näher, denn offensichtlich hatte Jasmin ihm seine Blessuren noch nicht angesehen. Er hielt den Kopf schräg ins Neonlicht der Deckenlampe, damit seine geschwollene Augenbraue besser zur Geltung kam.
    »Ja, und?«, fragte sie wenig beeindruckt. »Bist du wo gegengerannt? Traue ich dir zu, so vergeistigt, wie du manchmal herumläufst.«
    »Nein, ich bin nirgendwo gegengerannt. Schon eher angeeckt«, stellte Paul leicht verärgert klar. »Jemand hat mich verprügelt. Und zwar ziemlich heftig. Deswegen will ich Anzeige erstatten.«
    »Zeig mal her«, sagte sie und zog sein Haupt bis auf Augenhöhe zu sich heran. Dann drückte sie unvermittelt mit dem Zeigefinger auf seine bepflasterte Braue. »Tut das weh?«
    Paul stieß ein lautes »Aua!« aus und riss seinen Kopf nach oben. »Was soll das? Denkst du, ich spiele dir was vor? Ich bin wirklich vermöbelt worden. Ich habe blaue Flecken am ganzen Körper.«
    »Du Armer«, meinte Jasmin, und Paul hatte den Eindruck, sie würde ihn verhöhnen. Doch ganz sicher war er nicht. »Du möchtest also Anzeige erstatten«, sagte sie.
    »Ja, das will ich.«
    »Anzeige wegen Körperverletzung. Oder versuchten Totschlags?«
    Jetzt war er sich sicher: Sie nahm ihn auf die Schippe!
    »Nein, nur Körperverletzung. Das ist ja wohl schlimm genug«, sagte er und sah sie böse an.
    »Bist du ganz sicher?«, wollte sie wissen.
    »Ja, natürlich, sonst wäre ich nicht hier.«
    Sie schlug mitleidig die Augenlider nieder. »Tja, dann tut es mir leid. Für so was Profanes wie Körperverletzung – noch dazu in minder schwerem Fall – bin ich nicht zuständig. Da muss ich dich an meine Kollegen von nebenan verweisen.«
    Paul trat kraftvoll mit dem Fuß auf den Boden. »Hör endlich auf, mich zu verarschen! Ich habe wirklich Schmerzen und möchte nicht, dass dieser Typ ungeschoren davonkommt.«
    Jasmin musterte ihn und nickte in Richtung eines Stuhls. »Setz dich«, forderte sie ihn auf und nahm ihm gegenüber an ihrem Schreibtisch Platz. »Lass mich raten: Du bist nach wie vor an dieser FCN-Sache dran und hast dich mit den falschen Leuten angelegt.«
    »Richtig. Genau genommen mit einem etwas kuriosen Ableger der Ultras, sie nennen sich selbst Bad Boys. Ihr Anführer heißt Frank › Fränki ‹ Paschwitz . . .«
    »Und der hat dir ein paar schlagkräftige Argumente dafür geliefert, dass du deine Schnüffeleien lassen sollst?«
    »Nein . . . – äh, ja.«
    Jasmin verschränkte ihre Finger und legte die Hände auf der Schreibtischplatte ab. »Aber Paul, dir muss klar gewesen sein, dass es in Sachen Fußball emotional zugeht, manchmal auch ein wenig raubeinig.«
    »Raubeinig?« Paul sah sie vorwurfsvoll an.
    »Na ja, nach vielen Spielen gibt es Rangeleien. Echte Fans sind eben heißblütig und voller Leidenschaft, da bleibt es nicht aus, dass mal die Fetzen fliegen.«
    Paul konnte es nicht fassen. War es schon so weit, dass er sich als Opfer verteidigen musste, während die Polizei die Täter in Schutz nahm? »Das war keine belanglose Rauferei. Der Kerl hat mich in einen Hinterhalt gelockt und

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