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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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kam dann jedoch zu dem Entschluss, dass er sich auch allein dorthin trauen würde. Denn Jasmin würde ihm garantiert erst einmal eine Standpauke halten, die er sich sehr genau ausmalen konnte. »Du stürzt dich aus Langeweile auf einen Fall, der gar keiner ist, greifst willkürlich nach ein paar Verdächtigen und willst jetzt sogar meinen alten Chef da reinziehen?«, würde sie ihn fragen – und in gewisser Weise hätte sie recht damit. Das wollte er sich lieber ersparen.
    Paul nahm die Straßenbahn.
    Konrad Keller wohnte gemeinsam mit seiner Frau Doris in der Martin-Richter-Straße, eine vom Stresemannplatz abzweigende Wohngegend. Das hatte Paul dem Telefonbuch entnommen. Nicht darin aufgeführt war die Hauskatze, die den Namen »Maus« trug und ihm schnurrend um die Beine strich, als ihm nach dreimaligem Klingeln geöffnet wurde.
    »Sie wünschen?«, fragte eine ebenso freundlich wie unauffällig wirkende Frau von etwa 60 Jahren, die Maus mit einem Stups ihres Schuhs zurück in die Wohnung schickte. Es musste sich um Doris Keller handeln.
    Paul stellte sich vor und fragte nach ihrem Mann, der kurz darauf erschien und ihn hereinbat. Keller, einen Kopf kleiner als Paul, trug einen kurz geschorenen grauen Haarkranz um seine Glatze und eine Brille mit markantem schwarzem Gestell auf der nicht minder markanten Nase. Der Ex-Kommissar führte ihn in das Wohnzimmer des kleinen Appartements, das im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses lag. Aus dem Fenster hatte man einen – für Großstadtverhältnisse – schönen Blick auf einen begrünten Hinterhof, und durch die Lücke zwischen zwei rückwärtigen Häusern erspähte Paul die Kinokneipe Metropolis, die ihm ans Herz gewachsen war, seitdem er dort vor vielen Jahren sein erstes verheißungsvolles Rendezvous mit Katinka gehabt hatte.
    »Was führt Sie zur mir?«, fragte Keller, bot ihm einen Platz an und beobachtete ihn aus intelligent neugierigen Augen. »Ich weiß, dass Sie ein guter Bekannter von Frau Stahl sind«, fügte er hinzu. »Frau Stahls Freunde sind auch meine Freunde. Also haben Sie keine Hemmungen!«
    Diese Einladung nahm Paul gern an und legte sein großes Interesse am Fall Buggi Weinfurther offen.
    »Darüber habe ich in der Zeitung gelesen«, sagte der pensionierte Kommissar, dem Paul eine entfernte Ähnlichkeit zu »Enterprise«-Kapitän Jean-Luc Picard zuschrieb. Keller strich sich mit dem Zeigefinger um die Nase, während er nachdachte. Schließlich begann er zu reden: »Ich hatte da mal einen Fall, es muss Anfang der Achtzigerjahre gewesen sein. Zwei Frauen meldeten sich bei uns im Kommissariat. Sie hatten ein Glas Kompott dabei. Ich glaube, Heidelbeerkompott. Sie baten uns darum, den Inhalt nach Gift zu untersuchen, denn sie hegten einen Verdacht gegen den Ehemann einer gemeinsamen Freundin. Diese lag mit akutem Leberversagen im Nordklinikum, wo sie wenige Tage später starb. Ich muss zugeben, dass ich zunächst skeptisch war. Dennoch habe ich einen Toxikologen zurate gezogen, der anbot, das Kompott an seine Ratten zu verfüttern. Nun – die Ratten starben, aber die Analyse des Kompotts erbrachte kein Ergebnis. Gezielte Untersuchungen auf giftige Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Arsen und Thallium verliefen erfolglos, ebenso wie die Beprobungen auf Standardgifte wie Zyankali. Nullkommanichts! Dann hatten wir aber doch noch Glück: An der Uni Erlangen hatten sie gerade ein vollkommen neues Scanverfahren entwickelt, und so kamen wir dem mörderischen Ehemann auf die Schliche. Mittels eines Gaschromatografen mit Massenspektrometer entdeckten wir den heimtückischen Gattinnen – und Rattenkiller ein leberschädigendes und krebserregendes Gift aus der Stoffklasse der Nitrosamine. Das Teuflische an dem Zeug ist, dass es bereits nach wenigen Stunden nicht mehr im menschlichen Körper nachzuweisen ist. Ein ideales Mordgift! Hätten uns die beiden treu sorgenden Freundinnen nicht auf die Spur gebracht, hätten wir niemals die Ermittlungen gegen den Ehemann aufgenommen.«
    »Sie meinen, dass Buggi mit Nitrosaminen vergiftet wurde?«, fragte Paul.
    »Wohl kaum.« Keller schmunzelte. »So einfach machen es einem die Mörder leider nicht. Sie denken sich immer neue Tricks und Kniffe aus. Im aktuellen Fall dürfte jedoch eine ähnlich komplexe Ursachenforschung notwendig sein. Sonst würden die Kollegen nicht so lange brauchen.«
    »Sie nehmen also an, dass es sich tatsächlich um Mord handelt?«
    »Wenn der Leichenbeschauer ein Herzversagen oder Ähnliches

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