Lokalderby
einzulassen?«
»Tja, das ist in der Tat die entscheidende Frage. Lassen Sie mich eine Erklärung versuchen: Sie müssen wissen, dass die offiziellen Sportwetten wie ODDSET oder Tipico völlig legal und sauber sind und unter dem wachsamen Auge der Kontrollorgane stattfinden. Die Regeln sind fixiert, alles geht transparent über die Bühne. Wettprofis haben zwar die Möglichkeit, sich ihre Chancen bis zu einem gewissen Grad auszurechnen und mehr abzuschöpfen als Laien, aber wer richtig absahnen will, ist hier fehl am Platz. Das große, jedoch illegale Geld fließt bei den Wetten, die unter der Hand ablaufen. Einige Buchmacher haben sich darauf spezialisiert. Natürlich wird dabei getrickst, was das Zeug hält. Denn diese Leute wollen am Ende ja daran verdienen und nicht alles an die Gewinner ausschütten. Darum greifen sie zum altbewährten Mittel der Bestechung: Ziel Nummer eins bei ihrer Suche nach Verbindungsmännern, die die Hand aufhalten, sind die Schiedsrichter. Denn die können den Spielverlauf entscheidend verändern, und wenn sie sich dabei einigermaßen geschickt anstellen, ist ihnen später kein Vorsatz nachzuweisen. Manchmal geht das freilich auch schief, wie die einschlägigen Fälle gezeigt haben.«
»Das ist alles ziemlich interessant. Aber inwiefern betrifft das Sakowsky oder seine Mitspieler? Denn nur wenn sie im Spiel gewesen waren, könnte es Buggi herausgefunden haben. Zu Schiedsrichtern hatte er als Fahrer sicher keinen besonderen Draht.«
»Schiedsrichter werden ja seit den großen Skandalen der letzten Jahre sehr genau unter die Lupe genommen. Der DFB ist seitdem noch härter in der Auswahl und Kontrolle, das Gleiche gilt für die anderen offiziellen Stellen. Also müssen die Buchmacher nach neuen Komplizen suchen und finden sie ab und zu bei den Kickern.«
Paul reichte das nicht aus. »Das ergibt trotzdem keinen Sinn: Die Profis auf dem Feld verdienen so viel, dass sie auf ein paar Scheine extra nicht angewiesen sind, schon gar nicht, wenn sie damit das Ende ihrer Karriere riskieren. Da fahren sie besser, wenn sie ab und zu den Verein wechseln und Prämien bei Meisterschaften und Turnieren einstreichen.«
»Das ist richtig. Allerdings haben die Aufstiegschancen von Kickern natürlich gesetzte Grenzen. Irgendwann kommen sie in ein Alter, in dem sie sich beim weiteren Erklimmen der Karriereleiter schwertun.«
»Mmmh. Sakowsky ist jetzt 32 . . .«
». . . und wird im nächsten Monat 33. Er ist noch immer fit und ein Leistungsträger beim Club. Aber seine goldenen Jahre sind vorbei – und seine Kandidatur für die Nationalmannschaft hat er bereits vor knapp zehn Jahren bei der Auswahl für die EM verpasst.«
Während sie nebeneinander hergingen und plauderten, stellte Paul fest, dass sie das Hauptquartier des FCN schon längst erreicht hatten und geradewegs aufs neue Club-Museum zusteuerten. Das Kernstück der mit Exponaten und Bildern nicht geizenden Dauerausstellung bildeten in einem Achteck aufgestellte Vitrinen, die der einzigartigen Architektur des Nürnberger Stadions nachempfunden waren. Auf geschätzten 30 Metern entlang dieses Oktagons ließ sich die Geschichte der Rot-Schwarzen lebendig nachvollziehen. Was Paul nicht von den ausführlichen Begleittexten erfuhr, gab ihm Bäcker mit auf den Weg: »Aufstiege, Abstiege, Ruhm und Elend: Tja, diese Ausstellung führt einem die wechselvolle Historie unseres Clubs bildlich vor Augen. Neun Meistertitel, vier Pokalsiege, aber auch sieben schmerzliche Abstiege.«
Bäcker blieb vor einer Vitrine stehen, in der ein Schieber aus grobem braunem Stoff ruhte. »Die Mütze von Torwartlegende Heiner Stuhlfauth«, wusste Bäcker. »Stammt aus den glorreichen Zwanzigerjahren.« Er schmunzelte. »Die frühe Epoche muss sehr eigen gewesen sein, da wäre ich gern Zeitzeuge gewesen. Wissen Sie, der Club wurde unter der Prämisse aus der Taufe gehoben, dass er ein authentisch fränkischer Verein sein sollte, in dem sich die Gefühlswelt unserer Region widerspiegelt. Salopp gesagt pendelt er traditionell zwischen den Empfindungen › bassd scho ‹ und › des wird scho widder ‹ , also zwischen absoluter Zufriedenheit und unerschütterlicher Zuversicht. Damit sicherte man sich von vornherein ab, um bei Niederlagen nicht ins emotionale Tief zu fallen und in guten Zeiten nicht vom Übermut gepackt zu werden.«
Sie standen jetzt vor einem altmodisch wirkenden Silberpokal mit eingelassenen grünen Edelsteinen. Laut Texttafel handelte es sich um den
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