Lokalderby
schlimm.
Einen Vorteil aber hatte ihre Krise: Wenn Katinka nicht mit ihm sprach, musste er sich ihr gegenüber auch nicht erklären und entsprechend nichts von seinen Plänen berichten.
»Ich fahre ins Gericht«, sagte sie kurz angebunden.
»Aber es ist Wochenende.«
»Habe noch einen Haufen Papierkram zu erledigen. Das kann ich nicht bis Montag aufschieben.«
Bevor sie abzischte, teilte sie ihm knapp und kein bisschen herzlich mit, dass sie erst gegen Abend heimkommen würde. Was auch immer er vorhätte: Er bräuchte nicht auf sie zu warten. Das, dachte Paul, kam ihm sogar gelegen.
Die beiden Tickets brachte er auch noch an den Mann. Sein Vater sagte ohne jedes Zögern zu, denn mit seiner Dauerkarte hätte er längst nicht so prominent gesessen. Dabei ließ er so etwas wie Begeisterung anklingen – eine für ihn absolut untypische Regung. Hermann meinte, er wollte sich sofort hinters Steuer setzen, um ja nicht zu spät zu kommen.
»Aber Vati, es ist 11 Uhr früh, das Spiel beginnt erst um 18 Uhr 30. Du brauchst nicht mal eine halbe Stunde hierher«, wandte Paul ein.
»Na gut. Aber spätestens um eins fahr ich los. Man kann ja nie wissen, was auf der Autobahn für ein Verkehr herrscht.«
Auch eine Begleitung war schnell gefunden: Hertha, der noch die Nachwehen ihrer Verletzung in den Knochen steckten und die ohnehin nicht viel für Fußball übrig hatte, verzichtete gern aufs zweite Ticket und schlug Hannah vor. Die freute sich riesig, doch bevor Paul ihr die Freikarte überließ, nahm er ihr das Versprechen ab, dass sie nicht im Fürther Grün auf der Haupttribüne erscheinen würde. Zähneknirschend sagte sie zu, sich »neutral« zu kleiden – was immer das heißen mochte.
Die Karten hinterlegte er, alles war geregelt, die Bühne für das große Finale freigeräumt. Dennoch war Paul flau in der Magengegend, als er kurz vor 18 Uhr 30 am Wöhrder See ankam. Auf dem Weg hierher hatte er im Radio die Vorberichterstattung zum Derby verfolgt und lauter gestellt, sobald der Name »Sakowsky« erwähnt wurde. Nichts wäre schlimmer gewesen, als wenn der Spieler aus irgendeinem Grund nicht antreten und sich womöglich doch zu Hause aufhalten würde.
Sicherheitshalber sah er sich in der Umgebung des schicken Wohnblocks nach Sakowskys Sportflitzer um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Dann erst läutete er, woraufhin quasi im selben Moment der Türsummer ertönte.
»Hast du schon auf mich gewartet?«, fragte Paul und stellte angenehm überrascht fest, dass Svetlana heute nicht als Verführerin zurechtgemacht war, sondern schwarze Jeans und ein ebenfalls schwarzes, langärmeliges T-Shirt trug.
»Ja, ich bin mit meine Dirk zu Stadion gefahren und sofort zurück. Er deeenkt, ich sitze in Loooge.«
»Sehr schön. Dann wollen wir keine Zeit verlieren.« Svetlana ging voran, und Paul folgte ihr die Treppe hinauf in ein trendiges, aber im Stil der gesamten Wohnung puristisch eingerichtetes Arbeitszimmer oder vielmehr »Stuuudio«, wie Svetlana es nannte.
»Hier chat meine Dirk seine Unterlagen.« Sie deutete auf eine Regalwand mit einigen schmalen Aktenordnern und auf den Schreibtisch, dessen Schubladen nicht durch Schlösser gesichert waren. Das machte die Sache leichter, dachte Paul.
»Bevor ich anfange: Gibt es hier einen Fernseher oder ein Radio? Ich möchte das Spiel verfolgen, damit wir wissen, was im Stadion passiert, während wir hier alles auf den Kopf stellen.«
Svetlana schaltete eine schmale, blockförmige Dockingstation ein, die über einen Tuner verfügte, und suchte den passenden Kanal. Wenig später hörten sie die markante Stimme von Sportreporter Günter Bäcker, der den zögerlichen Spielauftakt nutzte, um die Aufstellungen beider Mannschaften vorzustellen. Sakowsky wurde als einer der Ersten genannt:
». . . schon in den ersten Minuten übernehmen die Nürnberger nach zuletzt vier Partien ohne Niederlage sofort die Initiative und drängen die Gäste in deren Hälfte, wobei sich allen voran Dirk Sakowsky von seiner besten, kampfeslustigen Seite zeigt. Offensiv tut die Spielvereinigung Greuther Fürth zu wenig. Hier muss sich sehr bald etwas ändern, wenn die Entscheidung nicht schon in der ersten Halbzeit fallen soll. . .«
Fragende Blicke zog Paul auf sich, als er ein paar Handschuhe aus seiner Jacke holte. »Nur für den Fall, dass es hinterher Beschwerden gibt: Ich möchte keine Visitenkarte in Form von Fingerabdrücken hinterlassen.«
Svetlana hob anerkennend die linke Braue. »Du eben
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