Lokalderby
Spielerberaterin Ivonne Wagner, die sich wohlwollend über TrustSolid äußerte und das Unternehmen als »seriös« bezeichnete.
»Du schaust so komisch. Chast du was entdeckt?«, fragte Svetlana, die sich über ihn beugte.
»Ich weiß es noch nicht«, sagte Paul. »So ganz blicke ich nicht durch bei den Investitionen deines Zukünftigen.« Eigentlich blickte er überhaupt nicht durch. Er konnte sich nur vage zusammenreimen, dass Sakowsky immer wieder nennenswerte Geldbeträge an TrustSolid überwiesen hatte, ohne dass irgendwo Erträge oder Gewinne aufgeführt wurden. Das Geld floss nur in eine Richtung, nichts kam zurück. Weder Zinsen noch sonstige Summen, die anzeigen konnten, dass Sakowsky an seinen Investitionen schlussendlich etwas verdiente.
Im Radio verkündete Bäcker den Beginn der zweiten Halbzeit – und wartete mit einer schlechten Nachricht auf:
». . . was sich schon in den letzten Minuten der ersten Halbzeit andeutete, wird leider zur Gewissheit: Dirk Sakowsky hat Probleme mit der rechten Wade. Das raubt ihm Tempo und Durchschlagkraß. Sakowsky kämpft, aber die Blicke des Trainers sprechen Bände. Wird er seinen Favoriten vom Platz nehmen?«
Paul unterbrach seine Suche und wechselte einen besorgten Blick mit Svetlana.
»Er chatte einen kleinen Uuunfall beim Training«, erklärte sie. »Modzig ist mit seinem Fuß reingerummst in die Bein von meine Dirk. Wir dachten, es ist niiicht so schlimm.«
»Na, hoffentlich hält er durch«, meinte Paul und vertiefte sich wieder in die Auszüge. Er hatte sich nun voll und ganz an der ominösen TrustSolid festgebissen und versuchte, den durch die Briefe hergestellten Zusammenhängen zur Club-Verwaltung einen wie auch immer gearteten Sinn zu entlocken. Doch dabei tat er sich schwer.
Die Zeiger auf seiner Armbanduhr schienen sich immer schneller zu drehen: Jedes Mal, wenn Paul aus seinen Unterlagen auftauchte und nachsah, waren wieder etliche Minuten verstrichen. Allmählich wurde ihm warm.
». . . ein angezirkelter Schuss des Fürther Stürmers sorgt in der 63. Minute für Gefahr auf der Gegenseite!«, rief Bäckers aufgeregte Stimme aus dem Radio. »Wenn der FCN jetzt nicht aufpasst und seine Abwehr . . . – und da geschieht das längst Absehbare: Der Nummer 8 gelingt per Kopf die Führung für die Gäste, tatkräftig unterstützt von Fürths Sturmspitze, die den Ball mustergültig vorbereitet hatte. Der Club-Keeper, der zuvor schon zwei Attacken der Greuther mit Müh und Not abgewendet hatte, beschwert sich beim Schiedsrichter heftig; das Leder indes war in vollem Umfang über der Linie. . .«
»Miiist!«, ärgerte sich Svetlana. »Wenn sie jetzt niiicht drehen das Spiel, hat meine Dirk schleeechte Laune nachcher.«
Wenn sie weiter keine Sorgen hatte, dachte Paul. Er verfolgte aber sogleich wieder Bäckers Spielbericht:
». . . setzt der Club-Trainer die lange überfällige Entscheidung um und tauscht Sakowsky aus. Zu Recht! Denn Sakowsky hat seine Chance gehabt und sie – verletzte Wade hin oder her – nicht genutzt. Will man eine Niederlage vor heimischer Kulisse in den verbleibenden 13 Minuten noch verhindern, muss die Wende mit allen Mitteln und frischen Kräften herbeigeführt werden. . .«
»Verdammt, sie haben ihn rausgenommen.« Paul sah die Zuversicht, die er bis eben gehabt hatte, schwinden.
»Keine Sorge. Er wird troootzdem im Stadion bleiben und niiicht früher gehen«, meinte Svetlana unaufgeregt. »Das ist so iiiblich.«
»Bist du sicher?«, zweifelte Paul und überschlug die Zeit, die ihm noch vergönnt war, um die Akten und Auszüge wieder in ihren Ursprungszustand zu versetzen, bevor er verschwinden würde.
Mitten in diese Überlegung hinein meldete sein Smartphone den Eingang einer SMS. Sie stammte von Victor Blohfeld.
»N’Abend, Flemming. Schicke Ihnen Foto Ihrer neuen Freundin. Aufgenommen 2011 in Spanien. Da hieß sie noch Katia.«
Paul stutzte und wusste mit der kryptischen Botschaft nichts anzufangen. Als er das Bild anklickte und vergrößerte, wunderte er sich erneut: Es zeigte Svetlana.
»Die Zwillingsschwester?«, schrieb er zurück.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: »Nein, ein und dieselbe. Katia Shabanova wird in Spanien als Heiratsschwindlerin und Betrügerin gesucht. Lebt in Deutschland unter falscher Identität.«
Paul las ungläubig Zeile für Zeile, blickte dann zu Svetlana auf, die gerade dabei war, den Glitzerlack auf ihren Fingernägeln zu bewundern. »Irrtum ausgeschlossen?«, tippte
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