Lokalderby
mal Bier und kein Schaumwein. Aber das ist was ganz Besonderes. In Pyras gebrautes Imperial Pale Ale. Das Original ist vor ein paar hundert Jahren von schottischen Mönchen entwickelt und extrem stark eingebraut worden. Es sollte langen Seereisen bis in ferne Kolonien standhalten, daher auch der hohe Alkoholgehalt. Zum Wohl!«
Fink hob sein Glas und stieß mit seinem Gast an. Paul kostete mit Bedacht, schmeckte eine leichte Süße, gefolgt von Bitterstoffen und dann . . .
»Wow! Das ist ja eine Wucht. Viel kann man davon aber nicht trinken.«
»Angeblich haben es die Empfänger in den Kolonien vor dem Konsum mit Wasser verdünnt. Aber wir sollten es unverfälscht genießen«, brummte Fink zufrieden. Dann straffte er die Schultern, beäugte Paul kritisch und meinte: »Kommen wir zum Thema. Du willst einen Mord im Fußballmilieu aufklären. Ausgerechnet du.«
»Ja, ich. Zumindest möchte ich meinen Teil dazu beitragen.«
Der Pfarrer lachte. »Entschuldige bitte, Paul, aber soviel ich weiß, hattest du mit Fußball nie besonders viel am Hut.«
»Ich habe als Kind mal im Verein gekickt.«
Fink winkte ab. »Du magst dich mit Fotografie auskennen und meinetwegen auch ein wenig mit historischen Themen: Dürer, Kaspar Hauser, die Reichskleinodien – so was liegt dir. Aber Fußball?«
»Warum denn nicht?«, begehrte Paul auf. »Mord bleibt Mord, egal in welchem Umfeld er stattfindet.«
Über Finks Stirn breiteten sich Falten wie Wellen auf rauer See aus. »Weißt du, was du dringend brauchst?«, fragte er ernst.
»Nein. Aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen«, meinte Paul etwas spöttisch.
»Einen Crashkurs in fränkischer Fußballgeschichte.«
»Und den bekomme ich von . . .?«
»Von mir!«, stellte der Pfarrer kategorisch fest. »Bei diesem Thema bin ich sattelfest wie im Neuen Testament.«
Ehe Paul etwas dagegen einwenden konnte, geriet Fink nach dem nächsten Schluck Herzblut ins Schwadronieren über den glorreichen Club im Allgemeinen und die lange Tradition der Lokalderbys im Besonderen. »Wusstest du, dass die erste offizielle Begegnung der beiden Mannschaften bereits 1902 stattgefunden hat? Wenn es morgen wieder so ausgeht wie damals, dürfen wir uns freuen.«
»Wie war denn das Ergebnis?«, wollte Paul wissen.
»15:0 für Nürnberg gegen den damaligen TV Fürth 1860. Den Vorsprung konnten unsere Jungs aber nicht lange halten, denn schon zehn Jahre später zogen die Kleeblätter an uns vorbei.«
»Ein ewiges Hin und Her.«
»Spielerisch ließen sich die Nürnberger damals nicht lumpen und hatten bald wieder die Nase vom: Man denke nur an die Siegesserie zwischen 1918 und 1922: in 104 Spielen ungeschlagen! Da haben wir den Fürthern gezeigt, wo der Hammer hängt.«
»Hannah würde dir jetzt energisch widersprechen«, meinte Paul in Gedanken an die jüngst erwachte Leidenschaft seiner Stieftochter für die Spielvereinigung. »Wenn ich mich nicht täusche, waren es dann wieder die Fürther, die die Nürnberger Siegeskette beendeten. Und in den ruhmreichen Zwanzigerjahren wurde die Nationalmannschaft ungefähr zu gleichen Teilen mit Spielern aus beiden Städten besetzt. Also wieder pari.«
»Das stimmt. Und das Gleichgewicht der Kräfte hielt ziemlich lang an. Genau genommen bis zur legendären Heimniederlage des Clubs im Oktober 1956. 2:7 ging das Fiasko aus, wenn ich das richtig im Kopf habe. Dazu gibt es einen herrlichen Kommentar vom damaligen Außenläufer Hans › Bumbes ‹ Schmidt: › Ausgerechnet die Blödel aus Fürth gewinnen das! ‹ Aber in den Jahren danach trennte sich endlich die Spreu vom Weizen: Als 1963 die Bundesliga eingeführt wurde, verpatzten die Kleeblätter ihre Qualifikation. Die Nürnberger haben zwar auch öfter mal zwischen Zweiter und Erster Liga gewechselt. . .«
»Ja, drei oder vier Mal. Mindestens«, warf Paul ein.
»Sieben Mal«, präzisierte Fink. »Aber auf Augenhöhe sind die beiden Vereine erst wieder, seitdem die Fürther auch in der Ersten Liga angekommen sind. Ich frage mich, wie lange sie sich halten.«
»Dieselbe Frage kannst du momentan aber auch beim Club stellen«, meinte Paul. »Vor allem, wenn der Kader weiter geschwächt wird, etwa durch den Wechsel von Kevin Modzig zu den Kleeblättern.«
Fink schüttelte behäbig seinen fleischigen Kopf. »Ein Wechsel zwischen den beiden Vereinen – so was war in den Anfangsjahren undenkbar. Bis dann Leonhard › Loni ‹ Seiderer das Tabu brach und als erster Spieler von Nürnberg nach Fürth ging. Dafür
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