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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Versprich es mir!
    Veronika nickt und läuft los.
    Ich verspreche dir alles. Ich habe noch nie in meinem Leben ein Versprechen gebrochen. Alles, was du willst, Martin.
    Eine Stunde später wissen sie, dass es keinen Daniel |282| Leutert gibt. Niemanden diesen Namens im passenden Alter. Nicht hier in der Stadt jedenfalls. Bist du sicher, dass du den Namen richtig verstanden hast?
    Veronika nickt und lächelt.
    Aber vielleicht hat die Verkäuferin ihn nicht richtig verstanden. Vielleicht heißt er Daniel Leupert oder Neubert oder ganz anders.
    Sie steht auf und verschränkt die Arme vor der Brust.
    Dann muss ich mich auf Hanns verlassen. Dass der ihn fragt, diesen Daniel. Und dass Daniel dann die Wahrheit sagt. Darauf muss ich mich verlassen. In zwei Tagen weiß ich Bescheid. Bis dahin muss ich durchhalten. Und wenn ich in zwei Tagen nicht schlauer bin, noch viel länger.
    Martin Wagemut beschließt, dass es ihn nicht kümmert, wie sehr diese Frau verrückt ist. Er will sie haben, für immer und ewig. Und sollte ihr wütender Hanns im Weg stehen, wird er ihn umbringen. Ganz einfach. Oder ihm eine andere Frau besorgen. Was auch immer, ihm wird etwas einfallen. Aber die hier gibt er nicht mehr her. Er läuft mit Veronika durch die Straßen, sieht ihre Unruhe, registriert, dass sie nach jedem Kerl schaut, der jung genug aussieht, ihr Sohn sein zu können. Sie laufen vom Büro aus zwei Stunden gen Westen. Hin und wieder bleibt Veronika stehen wie ein störrischer Esel. Bleibt stehen, den Kopf gesenkt, hält dabei immer Martins Hand fest, schaut auf den Boden, denkt nach, läuft wieder weiter. Er stört sie nicht. Wartet, wenn sie stehen bleibt, läuft los, setzt sie sich in Bewegung. Nach zwei Stunden fragt er, ob sie Lust hätte, mit ihm bei Rogacki eine Breslauer zu essen.
    Wer ist Rogacki, was eine Breslauer?
    Veronika scheint zum ersten Mal wieder in der Gegenwart zu sein.
    Rogacki muss man kennen und Breslauer nicht mögen. Du kannst auch ein Heringsbrötchen essen oder ein |283| Schnitzel. Oder eben eine Breslauer, und dazu trinken wir Sekt. Ich hoffe, die haben noch auf.
    Also gehen sie zu Rogacki. Martin stellt Veronika an einen Bistrotisch, fragt, was sie haben möchte, bekommt die Order, für sie zu entscheiden, und stellt sich an. Schaut alle paar Sekunden, dass ihm die Frau nicht verschwindet und nicht aus den Schuhen kippt. Kauft zwei Breslauer und zwei Glas Sekt. Niemand findet das komisch, nur er.
    Am Bistrotisch nebenan hat sich eine fröhliche Weiberrunde postiert. Drei Frauen jenseits der sechzig, schätzt Martin. Die vierte kauft offensichtlich Breslauer und Sekt oder Heringssalat und Weißwein.
    Wilmersdorfer Witwen, flüstert Martin und bringt Veronika zum Lächeln. Die Männer liegen in geweihter Erde, und die Frauen verjubeln bei Rogacki die Witwenrente. Alles verdächtige Todesfälle. Die Männer. Ich arbeite daran.
    Und dann sieht Martin, wie Veronika nachgibt, weich wird und schwach. Wie sie loslässt für diesen Moment, sich dreinschickt. Sie schaut ihn an und sagt: Ich bin nicht die Einzige auf der Welt, der so etwas passiert. Also werde ich auch nicht daran sterben.
    Martin weiß, wie trügerisch dieser Augenblick ist. Morgen wird diese Frau wieder rasen und verzweifeln. Aber bis dahin vergeht ja wohl noch eine Ewigkeit.

|284| 24. Kapitel
    Hanns quält sich, und so klingen die Sätze, die er aufschreibt, dann auch. Ihm dröhnt der Kopf, der vielleicht zu lange zwischen Katja Schwenkers großen Brüsten gelegen hat in der vergangenen Nacht. Mag sein, dass man davon Kopfschmerzen bekommt. Davon und vom schlechten Gewissen. Es plagt ihn zum ersten Mal, diese Art von schlechtem Gewissen. Hanns sitzt vor dem Computer, denkt an Katja Schwenker, an Vroni und die ganze verfahrene Kiste und schreibt: FDP fordert Bibliothekskonzept.
    Eine dermaßen langweilige Überschrift kommt ihm normalerweise nicht ins Blatt. Aber ihm fällt nichts ein.
    Ein zukunftsfähiges Konzept, das eine flächendeckende Nutzung der Bibliotheken möglich macht, forderte die FDP auf ihrer Kreiskonferenz am vergangenen Wochenende, schreibt er. Hanns schaut sich das Foto an, das zu dem Beitrag gebracht werden soll. Da steht ein dicklicher FDP-Kreisvorsitzender und schaut ins Nichts. Neben ihm sitzt ein richtig dicker Liberaler, dem eine Baufirma hier in Frankenburg gehört, und kaut gelangweilt an den Fingernägeln. Was hat sich der Praktikant dabei gedacht, solch ein Foto rüberzureichen und dazu die Bildzeile zu schreiben:

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