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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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wolle er wirklich ein Gespräch führen. Der neue Zeitungsfritze. Den alten mussten wir ja hin und wieder zur Räson rufen.
    Zur Räson rufen, denkt Hanns, wo hat er das denn her. Der kann doch nicht bis drei zählen.
    Hat sich zu viel Gedanken gemacht und zu oft eingemischt. Wir sind die Guten, sagt Max und hebt ein wenig die rechte Hand, was dem Wirt Zeichen genug ist, ein frisches Bier vor den Jungen zu stellen.
    Hanns schweigt und trinkt seins. Will dann wissen, warum der Asiaimbiss ein regelmäßiger Treffpunkt ist.
    Gehtn dich das an?
    Nichts, mich interessiert nur, ob die Asiapfanne genießbar ist.
    Der Fidschi macht ganz gute Sachen. Ist ein fleißiger Mensch. Solche fleißigen Menschen haben wir hier gern.
    Verdammt, denkt Hanns, jetzt führen wir tatsächlich gleich eine politische Diskussion. Darauf habe ich keine Lust, und davor habe ich Angst. Hanns überlegt, wie er gut rauskommt. Aus der Kneipe und der Sache. Soll man das einfach so stehenlassen, was dieser Max da von sich gibt? Wäre sicher das Beste.
    Vertragsarbeiter, denke ich mal, hört er sich sagen und wird langsam wütend. Auf sich, nicht auf den Glatzkopf neben ihm.
    Sind sie alle. Vertragsarbeiter. Hattens gut in der DDR, und nun ist es nicht mehr gut. Und, kümmert sich irgendeiner?
    Hanns schweigt.
    Findste jetzt wohl komisch, dass ich mich um sonen Vertragsarbeiter kümmern will? Ist legal hergekommen, hat immer hier gearbeitet, spricht Deutsch, bescheißt |171| nicht beim Rausgeben, hält die Fresse, wenn er nicht gefragt ist. Nenn ich einen anständigen Ausländer.
    Der Wirt stellt ein weiteres Bier vor den Jungen und sagt, das interessiere den Herrn Redakteur nun sicher nicht. Der sei nur hier, um ein Feierabendbier zu trinken und sonst nichts. Hanns hebt beschwichtigend die Hand und kommt sich vor, als übe er schon mal den Gruß. Ich hör gern zu, sagt er und versucht, unverbindlich zu lächeln. Nichts von dem, was der Typ gesagt hat, macht ihn wütend. Darüber sollte er sich wahrscheinlich am meisten wundern.
    Hanns holt die Geldbörse aus der Tasche, legt einen Zehner auf den Tresen, lässt sich rausgeben auf acht und steht auf. Schönen Abend noch, sagt er, und der Typ wendet sich ab. Ist nicht mehr interessiert und dreht den Kopf so, dass Hanns nun doch erkennen kann, was dem in den Nacken tätowiert ist. Pitbull, steht da. Mehr nicht. Ein Hund also, denkt Hanns, grinst und geht. Ein Hund, der gern Asiapfanne isst.
    Der nächste Tag vergeht so schnell wie keiner zuvor. Hanns muss ein paar Käffer besuchen. Ettenhausen, Brensbach, Dechow und Hohnsdorf. Er hat einen Plan, und den arbeitet er seit sechs Wochen ab. Im ersten halben Jahr will er hier jedes Kaff einmal gesehen haben. Schwierig ist nur, immer einen passenden Anlass zu finden. In den ersten Tagen hat er sich einfach eine Tour zurechtgelegt und ist nach Feierabend oder vor Arbeitsbeginn losgefahren. In jedem Kaff aus dem Auto gestiegen, eine Runde gedreht, guten Tag gesagt, wenn er jemanden auf der Straße gesehen hat, ein Schwätzchen gehalten, wenn es sich irgendwie anbot, rein ins Auto und ins nächste Kaff. Aber das bringt nicht viel, das hat er schnell gemerkt. In den etwas größeren Orten, wie Hanshaken und Isendorf, schon, dort ist wenigstens ein bisschen Leben auf den |172| Straßen, und man kann auch einfach mal beim Bürgermeister reinschauen und sich vorstellen. Oder beim Bäcker einen Kaffee trinken und darauf bauen, dass es zu einer kleinen Plauderei mit wem auch immer kommt. Die Bäcker hier schreiben gern Ehrliche Ostbrötchen auf ihre Angebotstafeln, und Hanns hat sich schon oft gefragt, ob das noch jemanden hinterm Ofen vorlockt. Hat sogar überlegt, ob er mal eine kleine Glosse über die Wortkombination ehrliche Ostbrötchen schreibt. Aber dann hätte ihm der Bäcker in Frankenburg wahrscheinlich beim nächsten Einkauf auf die ehrlichen Schrippen gespuckt.
    Die ganz kleinen Orte, solche wie Bottendorf, Höfen, Gannerwinkel oder Poggelow, mit gefühlten zwanzig und in Wahrheit vielleicht achtzig Einwohnern sind für eine solche Herangehensweise aber völlig ungeeignet und haben weder einen Bäcker, geschweige denn einen Lebensmittelladen oder irgendeinen anderen sinnvollen Treffpunkt. Dort steht er dumm rum, wenn er aus seinem Auto steigt, und macht den Eindruck, ein Idiot zu sein, der sich verfahren hat. Er kann sich ja kein Schild umhängen, auf dem Regionalredakteur steht. Kann er nicht. Und er hat sich geweigert, das Auto zu fahren, auf dem jede

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