Lokale Erschuetterung
gehe ich jeden Samstag über den Markt.
Also schlendern sie gemeinsam von Stand zu Stand. Sie beherrscht ja den Smalltalk, es ist kein Problem. Für jeden eine Frage und eine unverfängliche Bemerkung. Das genügt. Am Stand einer gutaussehenden Frau mit unglaublich |211| großen Brüsten bleiben sie etwas länger stehen. Das mag seinen Grund haben, die Dinge, die hier angeboten werden, sind entweder nützlich oder riechen gut. Hanns stellt die Frau als Katja Schwenker vor, und es scheint, als träfen sich die beiden hier häufiger. Muss ja wohl so sein, denkt Veronika, wenn Hanns jeden Samstag auf den Markt geht. Trotzdem ist da noch etwas anderes. Greifen lässt es sich nicht, aber diese großbrüstige Frau hier mit den wallenden Klamotten ist ein bisschen scharf auf den Leitenden Lokalredakteur. Sie schiebt Veronika Seifen und Döschen rüber. Veronika riecht, probiert, wie es sich auf der Haut anfühlt, kauft eine Creme, deren besondere Qualität ist, gut gegen Schwangerschaftsstreifen zu wirken. Sie sieht Hanns die Stirn runzeln und statt zu ihr auf Katja Schwenker schauen. Die unterlässt es, die Frage aller Fragen zu stellen. Ob die Creme der Vorbeugung oder der Nachbereitung dienen soll. Schade eigentlich, denkt Veronika. Da hätte ich doch jetzt wirklich mal eine Geschichte zu erzählen gehabt. Und dann wird sie feige und murmelt, es sei ein Geschenk für eine Freundin. Die sei erst im siebten Monat, aber schon jetzt wäre absehbar, dass es schlimme Streifen geben werde. Hanns nimmt ihre Hand und sagt, er zahle das hier. Gibt der Großbrüstigen Geld und sagt, bis nächste Woche dann, zieht Veronika zum nächsten Stand, an dem es gutgewachsene Hortensien gibt und Tomatenpflanzen.
Der ganze Rundgang dauert mehr als zwei Stunden. Hanns schlägt vor, an einem der Stände ein Rostbrätel zu essen oder eine Bratwurst. Beides schlägt Veronika, schon bei dem Gedanken daran, auf den Magen. Sie schüttelt den Kopf und will nur einen Yogitee.
Du meine Güte, sagt Hanns und grinst. Bist du jetzt auch so eine Braut geworden, die Yogitee trinkt und Haferkekse isst.
|212| Aber er kauft, was sie wünscht, und sich selbst Bratwurst und Bier. Mit all dem stehen sie an einem Bistrotisch und sehen aus, als hätten sie kaum etwas gemeinsam.
Hast du was mit Katja Schwenker, fragt Veronika, und es soll ein Scherz sein. Aber Hanns sieht aus, als wollte er ihr für die Frage eine runterhauen. Für zwei Sekunden nur sieht er so aus, dann lacht er und flüstert ihr ins rechte Ohr, da sei ihm nun wirklich zu viel dran an der Frau. Er liebe nur ihre kleinen festen Titten und sonst nichts auf der Welt. Schon gar nicht die Fleischberge der Schwenker.
So bleiben sie ein verschworenes Paar. Hanns und Veronika, seit Ewigkeiten verheiratet, lange unsterblich verliebt ineinander, nun schon viele Jahre aneinander verzweifelnd. Veronika denkt an Martin Wagemut, dem sie fast verfallen wäre für eine Nacht. Und noch scheint ihr die Möglichkeit auch nicht aus der Welt geschafft. Der Mann hat Feuer gefangen. Ihre Geschichte und sie selbst dazu scheinen eine Leidenschaft geworden zu sein. Keine Woche vergeht ohne neue Ermittlungsergebnisse, die gar keine sind, sondern bloße Vermutungen und der Wunsch des Bullen, am Ball zu bleiben. An ihr zu bleiben, sie nicht aus den Augen zu verlieren. Etwas für sie tun zu können, was den Weg ebnet für mehr als Gespräche und wachsende Vertrautheit auf Distanz.
Veronika denkt an einen anderen Martin. Den sie vor vielen Jahren kennengelernt hatte. Martin, wie hieß der noch gleich? Heinemann? Vielleicht. Vielleicht hieß er Heinemann oder Hartmann.
Ich bin ja wirklich großartig darin, zu vergessen. Ich kann es offensichtlich gar nicht lassen, die Angelegenheiten in meinem Hirn zu verbummeln. Oder so zu tun, als hätte ich sie verbummelt. Damit mir niemand an den |213| Karren fahren kann. Martin Hartmann. Nennen wir ihn doch einfach so. Der Geliebte meiner besten Freundin. Chris, wenigstens an deren Namen kann ich mich gut erinnern. Chris Marenberg. Die Schöne aus dem Westen. Damals spielte das noch eine Rolle.
Kannst du dich an Chris Marenberg erinnern, fragt Veronika Hanns, der aufschreckt, als sei er mit Kopf und Leib ganz woanders gewesen in diesem Moment. Nicht bei ihr und nicht hier auf diesem Markt.
Natürlich. Kann ich mich erinnern. Läuft hier eine rum, die aussieht wie Chris?
Veronika schüttelt den Kopf. Nein, ich habe an Martin gedacht, Martin Hartmann oder Heinemann.
Der hieß
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