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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Hartmann und war in dich verliebt.
    Hanns malt mit dem rechten Zeigefinger einen Kreis auf den Tisch. Benutzt dazu die kleine Bierlache in der Mitte. Tippt zwei feuchte Punkte in den Kreis und zeichnet einen Mund mit heruntergezogenen Winkeln. Er schaut dabei Veronika an. Multitasking, denkt die, mein Mann kann mit Bier ein Mondgesicht malen und mich dabei anschauen, als erwarte er ein Geständnis. Sie wusste, dass Martin Hartmann damals in sie verliebt war. Aber er hatte sie auch gehasst. Wie Schmierseife gehasst, würde ihre Großmutter sagen. Einmal hatte er ihr eine große Rede gehalten, über seinen Hass und seine Liebe.
    Du bist eine unerträgliche Ostkuh, hatte er gesagt. Du hast so schnell gelernt, was alles am Osten schlecht gewesen ist, dass du kritischer bist als all diese bärtigen Pfaffen zusammengenommen, die eure Opposition waren. Dabei achtest du immer darauf, dich selbst als eine zu beschreiben, die total angepasst gelebt hat. Kein Widerstand nirgends. Man kann dir nicht einmal vorwerfen, dass du dir nachträglich eine Widerstandsbiografie zusammengelogen hast. Du bist einfach nur perfekt. Und |214| was das Schlimmste ist: Du verstehst alle und jeden, hast aber niemandem verziehen. Ich dachte schon immer, wenn nur ein Drittel der Ostdeutschen so ist, wie du eine bist, dann haben wir ein Problem. Eine Elite, die schnell lernt und dabei auf dem Ticket der Benachteiligten fährt.
    Veronika lächelt bei dem Gedanken an diese große Rede von Martin Hartmann. Wie sehr er sich irrte. Aber sie hatte nicht widersprechen wollen. Ihr war es recht, als arrogante Ostkuh angesehen zu werden. Besser so, als wie ein Jammerlappen rüberzukommen. Dafür liebt sie Hanns ja heute noch. Dass der nie wie ein ostdeutscher Jammerlappen rumgelaufen ist.
    Hanns hat neben das schmollende Mondgesicht einen grinsenden Affen gemalt. Das Bier ist aufgebraucht. Der Markt leert sich. Veronika sieht die ersten Verkäufer einpacken. Die Hortensien und Tomatenpflanzen werden schon auf einen Pick-up geladen. Katja Schwenker macht Anstalten, ihre Döschen und Cremchen zu verstauen.
    In einer Stunde ist hier tote Hose, sagt Hanns, der das Gleiche sieht. Dann gehst du hier über den Platz und denkst, Scottie hat gebeamt. Er lächelt schief. Wir machen uns vorher vom Acker, was? Ich setz dich ins Auto und fahr dich durch die Landschaft. Die ist schön. Die Landschaft. Wir können ein bisschen wandern, wenn du willst.
    Veronika schüttelt den Kopf und nickt dann. Wandern. Warum nicht? Dabei lässt sich reden oder schweigen.
    Ich hab keine Schuhe zum Wandern mit.
    Dann gehen wir jetzt noch in den ultimativen Wanderschuhladen. Komm.
    Sie kaufen ein Paar Botten, wie Hanns die etwas klobigen Schuhe nennt, die Veronika sich aussucht. Aber die machen den Eindruck, als müsste man sie nicht erst groß einlaufen. Sicherheitshalber kauft Veronika in der Apotheke, |215| wo eine kühle Blonde bedient, noch Blasenpflaster. Dann gehen sie in die Wohnung, um sich umzuziehen für die Landpartie. Veronika steigt aus dem Strassshirt und zieht ein Hemd von Hanns an. Wegen der Mücken, sagt sie, und weil es so gut riecht.
    Das ist ein Bügelspray, das ich bei Katja Schwenker gekauft habe. Riecht das nicht ein bisschen weibisch?
    Veronika schüttelt den Kopf. Verbene. Oder etwas Ähnliches. Riecht eher herb. Männlich also. Wenn du jetzt alle Klischees auf einem Haufen haben willst.
    Natürlich will ich das. Und ich will auch, dass du im Wald nicht weißt, wo es langgeht, und mir die Richtung überlässt, dass ich deinen Kaffee bezahle, wenn wir irgendwo Rast machen, und dass ich dich über die Entwässerungsgräben trage. Ich will, dass du mich bewunderst und ich dich an einer großen dicken Eiche im Stehen vögeln darf. Ich will, dass du mir vorher einen bläst und ein bisschen Angst bekommst, wenn ich behaupte, dass wir uns verlaufen haben. Ich will, dass du bei der Rückfahrt einschläfst auf dem Beifahrersitz und dir ein Tropfen Sabber übers Kinn läuft. Ich will, dass wir Rammstein hören und dir die Musik zu laut ist, wir uns dann auf einen schnulzigen Kompromiss einigen, und dass du weißt, ich tu dies alles nur für dich. Ich will dich Dreckfotze nennen können, wenn wir vögeln, ohne dass du zusammenzuckst. Ich will ein Tattoo auf der rechten Hand haben und Springerstiefel tragen.
    Veronika steht vor Hanns, zupft an seinem Hemd, das sie trägt, und hört zu, wie ihr Mann in ein beängstigendes Tempo fällt beim Aufzählen all der Dinge, die er haben

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