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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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oder tun möchte.
    Dann werd ich mal Feuchttücher einpacken, sagt sie und lächelt schief. Dreckfotzen tun so was, wenn sie wissen, dass im Wald gevögelt wird.
    |216| Hanns zieht sie zu sich ran, an seine Brust zieht er sie und murmelt etwas in ihr Haar, das sie nicht versteht. Klingt wie eine Entschuldigung, denkt sie. Er muss sich nicht entschuldigen. Ich bin das Problem.
    Dann fahren sie los.
    Fünf Stunden später sitzen sie im Ratskeller und essen Schnitzel. Veronika hat drei Blasenpflaster gebraucht, die Füße brennen, und zwischen den Beinen fühlt es sich auch ein wenig wund an. Kein Wunder, denkt sie. So oft, wie wir es hier in vierundzwanzig Stunden miteinander getrieben haben. Das schaffen wir sonst in einem Monat. Ist doch seltsam, sich derartig ineinander zu verkeilen wegen eines Unglücks.
    Hanns redet nicht. Trinkt drei kleine Bier und sieht aus, als wäre sein Kopf leer.
    Wir nehmen noch einen Absacker in meiner Stammkneipe, und dann ab ins Bett, sagt er und blinzelt Veronika müde an. Morgen früh musst du es neben mir aushalten. Kein Bäcker hat hier am Sonntag geöffnet. Höchstens am Bahnhof, weiß gar nicht, ob man da sonntags Brötchen bekommt.
    Veronika nickt. Ihr ist es egal. Sie wird heute Abend eine kleine nette Pille nehmen, mit der kann sie zehn Stunden am Stück schlafen. Das sollte genügen. Sie winkt der Kellnerin und bestellt die Rechnung. Eine richtige Rechnung, bitte, sagt sie, und die Kellnerin nickt beleidigt.
    Machen wir immer. Richtige Rechnungen.
    Dann geht sie und kommt drei Minuten später mit einem Bon wieder, der keine richtige Rechnung ist. Das wird die doch nicht so falsch verstanden haben. Glaubt die wirklich, ich habe sie nur aufgefordert, nichts Falsches auf den Bon zu schreiben? Veronika schaut sich die ungeduldige Frau an, die neben ihr steht und auf das Geld wartet.
    |217| Ich wollte einen Beleg. Einen richtigen Beleg. Fürs Finanzamt.
    Die Kellnerin dreht sich um und verschwindet. Diesmal dauert es fünf Minuten. Dann ist alles so, wie es sein muss. Veronika zahlt, gibt vier Euro Trinkgeld, etwas mehr als zehn Prozent, wie es sich gehört, und steht auf.
    Zeig mir deine Stammkneipe. Ich muss bald ins Bett.
    Hanns zieht sie über den Marktplatz, auf dem noch ein paar Menschen zugange sind. Jugendliche vor allem, die laute Sprüche klopfen und dabei telefonieren.
    Als ob es kein Morgen gibt, murmelt Hanns und bleibt einen Moment stehen.
    Im vorigen Jahr hat sich hier, mitten auf dem Platz, ein Mann umgebracht. Hat sein Jagdgewehr genommen, sich dort an den Brunnen gesetzt, den Lauf in den Mund gesteckt und mit dem großen Zeh des rechten Fußes den Abzug betätigt. Gehirn, Knochen und Blut sollen bis an die Spitze der Brunnensäule gespritzt sein. Und am nächsten Morgen erst ist der Tote gefunden worden. Der Schuss hatte offensichtlich niemanden aufgeschreckt. Gefunden hat ihn der Stadtkämmerer. Der geht immer ganz zeitig ins Büro. Hab ich auch schon kennengelernt, den Typen. Guter Mann. Wirklich. Versteht seinen Job. Hält die Kohle zusammen. Legt den Finger auf jeden Posten, wie man so schön sagt. Aber nachdem er den Toten hier am Brunnen gefunden hatte, war er erst einmal vier Wochen krank. Die Nerven. Hat jede Nacht geträumt von dem kopflosen Mann. Sagen die Leute.
    Sagen die Leute, flüstert Veronika. Das ist eine Formel, die solltest du nicht allzu oft verwenden, Hanns. Sonst wirst du so ein Leichenfledderer. Der davon lebt, was andere Leute sagen.
    Tu ich doch. Was meinst du, was ich den ganzen Tag |218| mache? Sachen aufschreiben, die andere Leute gesagt haben.
    Warum hat er sich umgebracht?
    War ein gutgestellter Anwalt und hat es vergeigt. Schulden bis über beide Ohren. Zwei Mal Schützenkönig gewesen. Da kannst du hier arm werden dran. Wenn du es falsch anpackst, die falschen Freunde hast und zu viel Wert auf Prestige legst. Der hat die halbe Stadt freigehalten. Ein Mal, zwei Mal, drei Mal, oft. Dann ist ihm die Kohle ausgegangen, und er hat weitergemacht, weil sie ihn alle geliebt haben dafür. Eine ganz billige Geschichte ist das, glaub mir. Da hat man nicht mal Lust, drüber zu schreiben, so billig ist die. Dann hat er die Gehälter nicht mehr zahlen können und keine Sozialabgaben geleistet. Hätte also selbst einen Anwalt gebraucht. Und hat sich wahrscheinlich gedacht, bevor ich einen Kollegen bitte, mir zu helfen, schieß ich mich doch lieber tot. So war das. Komm, da drüben ist die Kneipe.
    Scharfe Ecke. Scharfer Name. Klingt irgendwie

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