Lokale Erschuetterung
geklungen. Sie sei ihm empfohlen worden, hatte er gesagt. Von einer ehemaligen Kollegin, für die sie ein Karriereportal konzipiert und umgesetzt habe.
Hab ich mir angeguckt, Frau Grabowski. Nicht schlecht. So was brauche ich auch. Aber später. Erst einmal muss ein neuer Name her. Synergie Consulting versteht kein Schwein, das können Sie mir glauben. Nicht mal meine Sekretärin kriegt den Namen richtig über die Lippen, wenn sie sich am Telefon meldet. Geschweige denn meine Kunden. Haben Sie das schon gemacht, Namensfindung und Redesign?
Als ob sie jemals nein antwortet auf derartige Fragen. |254| Nein, Herr Schiffer, das habe ich noch nie gemacht, aber ich könnte ja mit Ihnen mal ein bisschen üben. Was die Leute denken, wenn sie solche Fragen stellen, wüsste Veronika gern. Ob sie tatsächlich glauben, eine ehrliche Antwort zu bekommen. Von ihr. Von anderen. Markus Schiffer hatte am Telefon wie ein Sieger geklungen. Wie einer, der viel Luft zieht und dabei immer größer wird. Bis mal jemand mit der Nadel reinsticht. Kann aber sein, dass es nie passiert. Sie hat schon viel zu viele Schiffers kennengelernt, die sich seit Ewigkeiten am Markt halten und nicht erklären können, was sie eigentlich verkaufen. Da wird sie dem hier auch nicht mit Zweifeln kommen. Zweifel sind unangebracht bei solchen Leuten. Die können das Wort gar nicht buchstabieren. Veronika denkt an das letzte Gespräch in dieser Preisklasse. Ein Bilderbuchmann mit Bilderbuchkarriere, der sich selbständig gemacht hatte und mit Vorträgen und Seminaren für Führungskräfte tourte.
Alles ganz hochwertig, Frau Grabowski, keine Billigware. Also brauche ich einen wertig aussehenden Auftritt. Klar, brauche ich den. Alles nur ein bisschen anklingeln, nicht zu konkret werden. Bevor ich konkret werde, will ich Geld sehen. Klar, will ich das. Machen Sie mir doch mal ein, zwei Vorschläge, wie Sie das anpacken würden, so eine wertige Darstellung meiner Produkte.
Bevor ich konkret werde, will ich eine Auftragsbestätigung haben. Klar, will ich das.
So hatte ihre Antwort gelautet, und fünf Minuten später stand sie vor der Tür. Ein höflicher Rausschmiss, mehr war es nicht. Der Typ hatte die Contenance gewahrt, das musste sie ihm lassen. Trotzdem wollte sie Genugtuung haben und kaufte sich zwei Wochen später für unverschämt viel Geld den Eintritt für einen Vortragsabend bei dem Bilderbuchmann. Saß zwischen Dutzenden Führungskräften. Fast alle aus einem Unternehmen. |255| Und staunte den Sonnyboy vorn auf der Bühne an, aus dessen Mund nur Gemeinplätze kamen. Nichts von dem, was er sagte, war neu. Aber der Vortrag trotzdem nicht schlecht. Körpersprache, Modulation, Spannungsaufbau, persönliche Ansprache. Ein Schaumschläger der S-Klasse. Der ihr für vierhundert Euro hart verdientes Geld, das sie hingelegt hatte, um hier auf einem samtblau gepolsterten Stuhl zu sitzen und einen Vortrag zu hören, lauter Dinge erzählte, die sie längst wusste. Veronika hatte die Anwesenden durchgezählt, die Zahl mit vierhundert multipliziert und war auf eine fünfstellige Zahl gekommen. Vielleicht war es ein Fehler, sich den Typen als Kunden zu verspielen, hatte sie gedacht und sich versprochen, es beim nächsten Mal diplomatischer anzugehen.
Kein Problem, hatte Veronika also am Telefon zu Markus Schiffer gesagt, als der anrief. Wann können wir uns treffen?
Und heute ist es dann so weit. In zwei Stunden im Büro von Synergie Consulting. Sie hatte nicht einmal gefragt, was der Laden eigentlich anbietet. Jetzt ist noch eine Stunde Zeit, sich im Internet klug und ein halbes Pfund Gedanken zu machen.
Veronika steht in der Küche, als sei sie festgenagelt. Hält die Kaffeekanne in der Hand und kann sich keinen Zentimeter bewegen. Schaut aus dem Fenster und überlegt, ob sie einen Markus Schiffer überlebt. Wenn sie doch einen Polizisten und einen möglichen Sohn im Kopf hat. Ob sie dem Consultingheini tatsächlich etwas wird vormachen können. Ob er ihr abkauft, was sie anbietet, oder ob es nicht besser ist, sich gleich krankzumelden. Veronika sieht, wie die Frau aus der dritten Etage versucht auszuparken. Französisch hätte Hanns das genannt. Die Frau stupst den vor ihr stehenden Wagen zwei, drei Mal kurz an, bis er sich tatsächlich ein paar Zentimeter zu bewegen scheint.
|256| Als sei dies das richtige Signal, kann Veronika jetzt den Arm mit der Kaffeekanne wieder bewegen. Stellt die zurück ins Regal und geht ins Arbeitszimmer. Macht den Computer an
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