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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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schweigt.
    Also nicht. Seien Sie froh. Wir haben eine Tochter. Wo |248| die ist? Keine Ahnung. Die fand uns spießig. Was wir ja auch sind, obwohl ich schlagende Ehefrauen wiederum nicht allzu spießig finde. Kein Grund, sich gar nicht zu melden, denke ich. Aber sie meldet sich nicht. Seit vier Jahren haben wir nichts mehr gehört von ihr. Ist ’ne lange Zeit. Glauben Sie mir. Vier Jahre sind schon eine Ewigkeit. Vor allem, wenn man sie mit Martha verbringt.
    Tornemann versucht ein kleines Lächeln, das ein wenig kläglich ausfällt. Was quatsch ich. Warum sind Sie denn hier? Gehen Sie nach Hause und machen Sie Ihre laute Musik an. Da wird sich Martha freuen. Glauben Sie mir.
    Hanns dreht sich um und geht. Murmelt einen kleinen Gruß zu dem Mann im Bett, der ihn mit schläfrigen Augen anschaut und nicht unzufrieden wirkt. Höchstens verzweifelt. Aber für Verzweiflung hat er ja auch ausreichend Grund. Hanns beschließt, sich auf die Polizeimeldung zu beschränken, wenn er was über Tornemann in der Zeitung bringt. Alles andere wäre. Schlecht. Du bist mir ein echter Journalist, flüstert er im Fahrstuhl. Verzichtest auf eine gute Schlagzeile. Schlagende Ehefrauen wären doch was fürs Volk. Das amüsierte die hier bestimmt. Wenn ich schreibe, dass die magere Martha Tornemann, die immer aussieht, als hätte sie den Wischmopp verschluckt, regelmäßig ihren Ehemann vermöbelt. Er erinnert sich an die Schlagzeile, die er mal aus der BILD geschnitten hatte. Lehrer erschoss Papagei der Nachbarin. Der Papagei hatte sich über den Lehrer lustig gemacht. Das hatte ihm seine Besitzerin beigebracht. Sich lustig zu machen über den blöden Lehrer nebenan. Und dann hatte der sein Schrotgewehr genommen und das Vieh erschossen. So was Ähnliches könnte er aus Tornemann machen, der eines Tages unterm Wohnzimmerbuffet lag und fast daran gestorben wäre.
    Hanns fährt mit dem Fahrstuhl wieder runter. Setzt |249| sich in die Cafeteria, bestellt einen Milchkaffee. Steht noch mal auf und geht in den kleinen Laden, gleich neben dem Tresen. Guckt sich die Zeitschriften und Bücher an.
    Hab gehört, hier ist ’ne Krankenschwester verhaftet worden, sagt er zur Verkäuferin. Die hat er noch nie gesehen, also besteht die gute Möglichkeit, dass sie auch nicht weiß, wer er ist.
    Hier reden die ja über nichts anderes. Also stimmt es wohl. Soll Patienten umgebracht haben. Aber das glaub ich nicht. Die ist total nett, die Petra. Die macht so was nicht.
    Ach, Sie kennen die?
    Na ja, so richtig nicht. Kommt halt manchmal her, um was zu kaufen. Schokolade. Meist Schokolade. Sie hat gesagt, da würden sich die Glückshormone freuen, wenn es Schokolade gebe. Kann man ja gebrauchen, wenn man auf der Geriatrischen arbeitet. Oder?
    Hanns nickt und tut weiterhin so, als interessiere er sich für die Zeitschriften. Meine Mutter macht das auch immer so. Isst Schokolade, wenn das Leben zu traurig wird. Scheint ja wirklich zu helfen.
    Ist Ihre Mutter hier im Krankenhaus?
    Hanns nickt wieder. Fühlt eine alte Gier aufsteigen. Die Gier, sich zu verstellen. Zu lügen für irgendeine nichtige Information, die sich aufbauschen und hochpuschen lässt, bis sie klingt, als sei sie nicht mehr aus dem langweiligen Leben gegriffen. Bis sie was hermacht. In drei oder vier Worte verkleidet, als Schlagzeile daherkommend. Mordende Krankenschwester mag es süß. Nach jedem Mord eine Tafel Schokolade. Er sieht die Verkäuferin an, die ihm arglos genau diese Nichtigkeiten liefert.
    Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Petra ist bestimmt keine Mörderin. Ich meine, die haben doch nichts, |250| außer ein paar mehr Todesfälle als sonst üblich. Das kann doch passieren. Da muss niemand nachhelfen. Die Alten sterben, wenn sie hier sind. Der Gang der Dinge, würde ich sagen. Und jetzt hat irgend so ein durchgeknallter Anwalt die Klinik verklagt. Glaubt, die hätten seine Mutter umgebracht. Die war einundneunzig. Was gibt’s denn da noch umzubringen. Ich meine, wollen Sie einundneunzig werden?
    Hanns nickt bei jedem Satz der Verkäuferin. Will sie am Laufen halten, die Plaudertasche. Was für ein Glück er hat. Hier reingegangen zu sein. Die liefert ihm ja alles, was er wissen muss, auf dem Silbertablett. Fragt sich nur, was er damit anfängt. Verlässliche Quelle, gut unterrichteter Kreis, anonyme Quelle.
    Die schieben es dann ja gern auf die Kleinen, schickt er der Verkäuferin über den Tresen, damit sie weiterredet. Ist ja kein Arzt festgenommen worden, sondern eine

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