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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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hütete der vertraute Bernhardiner das Fahrrad seiner Herrin, und dicht dabei hatte eine hochschwängere junge Frau ein juchzendes Baby auf eine Schaukel gesetzt und schwang es sanft hin und her, während ein eifersüchtiger Junge von zwei oder drei Jahren sie damit nervte, daß er am Brett zu stoßen oder zu zerren suchte; er erreichte es schließlich, daß die Schaukel ihn umstieß, und brüllte laut, als er rücklings im Gras lag, während seine Mutter freundlich weiterlächelte, aber dies Lächeln galt keinem ihrer anwesenden Kinder. Ich erinnere mich dieser Einzelheiten wahrscheinlich deshalb so deutlich, weil ich meine Eindrücke ein paar Augenblicke später gründlich überprüfen mußte; und außerdem war seit dem schrecklichen Abend in Beardsley etwas in mir immer auf der Hut gewesen. Ich ließ mich jetzt nicht ablenken von dem Wohlgefühl, das mir der  Spaziergang verschafft hatte - die junge Sommerbrise, die meinen Nacken umspielte, das nachgiebige Knirschen des feuchten Kieses, den saftigen Bissen, den ich mir endlich aus einem hohlen Zahn gesaugt hatte, und sogar das angenehme Gewicht meiner Einkäufe, die zu tragen der Zustand meines Herzens mir eigentlich nicht erlaubt hätte; doch selbst diese erbärmliche Pumpe schien heute gleichmäßig zu arbeiten, und als ich am Cottage ankam, in dem ich meine Dolores gelassen hatte, fühlte ich mich adolori d'amoureuse langueur, um den lieben alten Ronsard zu zitieren.
    Zu meiner Überraschung fand ich sie angezogen. Sie saß in Leinenhosen und T-Shirt auf der Bettkante und sah mich an, als wisse sie nicht recht, wer ich sei. Der deutliche, sanfte Umriß ihrer kleinen Brüste wurde durch den schlaffen Fall des dünnen Hemdes eher betont als verhüllt, und diese Deutlichkeit irritierte mich. Sie hatte sich nicht gewaschen; ihr Mund war jedoch frisch, wenn auch schmierig angemalt, und ihre breiten Zähne glitzerten wie weinbeflecktes Elfenbein oder rosarote Pokerchips. Und so saß sie da, die Hände im Schoß verschlungen, und war träumerisch erfüllt von etwas Hellem und Teuflischem, das nicht das geringste mit mir zu tun hatte.
    Ich stellte meine schwere Papiertüte plumpsend ab, stand da und ließ meinen Blick von den Sandalen über die nackten Knöchel zu ihrem törichten Gesicht wandern und dann wieder zurück zu den sündigen Füßen. «Du bist draußen gewesen», sagte ich (die Sandalen waren voller Kies).
    «Ich bin grad eben aufgestanden», antwortete sie, und als sie meinen abwärts gerichteten Blick bemerkte, fügte sie hinzu: «War einen Moment draußen. Wollte sehen, ob du zurückkommst.»
    Sie sah die Bananen und entrollte sich tischwärts.
    Welchen besonderen Verdacht konnte ich haben? Gar keinen - aber diese trüben, traumverlorenen Augen, diese eigentümliche Wärme, die von ihr ausging! Ich sagte nichts. Ich sah auf die Straße, die im Rähmen des Fensters so gestochen scharf dahinmäanderte ... Wenn jemand mein Vertrauen mißbrauchen wollte, hätte er den Ausguck hervorragend gefunden. Mit wachsendem Appetit machte Lo sich über das Obst her. Plötzlich kam mir das liebedienerische Lächeln des Burschen nebenan in den Sinn. Ich trat rasch hinaus. Alle Autos außer seinem Familienwagen waren verschwunden; seine schwangere junge Frau stieg gerade mit dem Baby und dem anderen mehr oder weniger entwöhnten Balg ein.
    «Was ist los, wo willst du hin?» schrie Lo von der Veranda her..
    Ich sagte nichts. Ich drängte ihre Weichheit ins Zimmer zurück und ging hinter ihr hinein. Ich fetzte ihr das Hemd vom Leib. Ich riß den Reißverschluß auf und zog den Rest herunter. Ich zerrte ihr die Sandalen von den Füßen. Ich unternahm eine wilde Verfolgungsjagd auf den Schatten ihrer Untreue; doch die Witterung, der ich folgte, war so schwach, daß sie von der Einbildung eines Verrückten nicht zu unterscheiden war.

17

    Gros Gaston hatte auf seine gezierte Art gern Geschenke gemacht - Geschenke, die nach seinem gezierten Dafürhalten ein geziertes bißchen vom Üblichen abstachen. Als er eines Abends bemerkte, daß mein Schachfigurenkasten kaputt war, schickte er mir durch eins seiner Bürschchen am nächsten Morgen eine Kupferdose: Sie hatte ein verschlungenes orientalisches Muster auf dem Deckel und ließ sich fest abschließen. Mit einem Blick erkannte ich in ihr eine jener hilligen Geldschatullen, die aus irgendeinem Grunde «Luizettas» heißen, wie man sie in Algier oder sonstwo kauft und mit denen man hinterher nichts anzufangen weiß. Sie erwies

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