Lolita (German)
Tennisstunden, die ich Lolita aufzwang - vor den Offenbarungen, die ihr durch die großen kalifornischen Lektionen zuteil wurden -, in bedrückender und bekümmernder Erinnerung geblieben, und das nicht nur, weil sie sich von jeder meiner Anweisungen hoffnungslos und irritierend irritiert fühlte, sondern w4il die kostbare Symmetrie des Tennisplatzes nicht etwa die in ihr schlummernde Harmonie reflektierte, sondern durch das Ungeschick und die Mattheit des trotzigen Kindes, dem ich ein so schlechter Lehrer war, völlig verdorben wurde, Jetzt lagen die Dinge anders, und an dem besonderen Tag, von dem ich spreche, in der reinen Luft von Champion, Colorado, auf dem herrlichen Tennisplatz am Fuß einer steilen Steintreppe, die zum Champion-Hotel hinaufführte, wo wir die Nacht verbracht hatten, hatte ich das Gefühl, ich könnte mich in der Unschuld ihres Stils, ihrer Seele und ihrer ureigenen Anmut von den Schreckgespenstern unbekannter Treulosigkeiten erholen.
Sie schlug hart und flach mit ihrem üblichen mühelosen durchgezogenen Schwung, returnierte mir die Bälle knapp über das Netz tief in meine Platzhälfte - alles so rhythmisch geordnet und übersichtlich, daß es meine Fußarbeit praktisch auf einen schwingenden Spaziergang reduzierte - geübte Spieler werden verstehen, was ich meine. Mein ziemlich stark geschnittener Aufschlag, den mir mein Vater beigebracht hatte - er seinerseits verdankte ihn Decugis oder Borman, alten Freunden und großen Meistern -, hätte meine Lo in ernstliche Schwierigkeiten gebracht, hätte ich wirklich versucht, ihr Schwierigkeiten zu machen. Aber wer wollte ein liebes Mädchen mit solch strahlenden Augen ärgern? Habe ich je erwähnt, daß ihr nackter Arm die 8 der Pockenimpfung aufwies? Daß ich sie hoffungslos liebte? Daß sie erst vierzehn war?
Ein wissensdurstiger Schmetterling flatterte tauchend zwischen uns durch.
Zwei Leute in Tennisshorts, ein rothaariger Kerl, nur etwa acht Jahre jünger als ich, mit sonnenverbrannten grellrosa Schienbeinen, und ein träges, dunkelhaariges Mädchen mit launischem Mund und harten Augen, etwa zwei Jahre älter als Lolita, tauchten aus dem Nichts auf. Wie bei gewissenhaften Anfängern üblich, steckten ihre Schläger in Hüllen und Spannrahmen, und sie trugen sie nicht wie selbstverständliche und bequeme Verlängerungen gewisser spezialisierter Muskeln, sondern wie Hämmer oder Donnerbüchsen oder Drillbohrer oder wie meine eigenen schrecklichen, schändlichen Sünden, Ziemlich unhöflich setzten sie sich dicht neben meine in gewissem Sinn kostbare Jacke auf eine Bank neben dem Court und bewunderten sehr vernehmlich einen Ballwechsel von über fünfzig Schlägen, zu dessen Gedeihen und Aufrechterhaltung Lo mir in aller Unschuld verhalf - bis es in der Serie zu einer Synkope kam, so daß ihr der Atem stockte, als ihr Schmetterball ins Aus ging, woraufhin sie sich vor fröhlichem Lachen bog, meine goldene Schmusekatze.
Ich war durstig geworden und ging zu der Trinkwasserfontäne; dort näherte sich mir der Rote und schlug in aller Unterwürfigkeit ein gemischtes Doppel vor. «Ich heiße Bill Mead», sagte er. «Und dies ist Fay Page, Schauspielerin. Maffi an See» - fügte er hinzu (und wies dabei mit seinem lächerlich verhüllten Schläger auf die piekfeine Fay, die bereits auf Dolly einsprach). Ich wollte gerade sagen: «Bedaure, aber ...» (denn ich hasse es, mein Fohlen dem Gehacke und Geschaufei billiger Stümper ausgesetzt zu sehen), als ein bemerkenswert melodischer Ruf meine Aufmerksamkeit ablenkte: Ein Page kam die Stufen vom Hotel zu unserem Platz heruntergetrippelt und machte mir Zeichen. Da wäre, bittesehr, ein dringendes Ferngespräch für mich-so dringend, daß der Anrufer auf mich warte. Gewiß doch. Ich schlüpfte in meine Jacke (die Innentasche schwer von der Pistole) und sagte Lo, ich wäre gleich wieder zurück. Sie hob auf europäische Weise mit einem vereinten Ruck von Fußspitze und Schlägerkante einen Ball auf - eine der wenigen hübschen Sachen, die ich ihr beigebracht hatte - und lächelte - sie lächelte mich an!
Eine grauenvolle Ruhe hielt mein Herz in der Schwebe, während ich dem Boy ins Hotel hinauffolgte. Es gibt einen amerikanischen Ausdruck, in dem Entdeckung, Vergeltung, Folterung, Tod, Ewigkeit auf eine einzigartig abstoßende Formel gebracht sind: this is it. Das war es. Ich hatte sie in mediokren Händen zu-rückgelassen, aber das machte jetzt kaum mehr etwas aus. Natürlich würde ich kämpfen. Und
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