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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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seinem Dach kieloben ein rotes Boot befördert ... Das graue Auto vor uns, das seine Fahrt verlangsamt, das graue Auto hinter uns, das uns einholt.
    Wir waren in gebirgiger Gegend, irgendwo zwischen Snow und Champion, und rollten ein kaum spürbares Gefälle hinunter, als mir abermals Detektiv Paramour Trapps Anblick zuteil wurde. Der graue Nebel hinter uns hatte sich zur festen Masse einer dominionblauen Limousine verdichtet. Plötzlich, als reagiere mein Wagen auf die Ängste meines armen Herzens, schlingerten wir von einer Seite zur anderen, und irgend etwas unter uns machte ein hilfloses Plap-plap-plap.
    «Sie haben einen Platten, Mister», sagte Lo fröhlich.
    Ich hielt - dicht neben einem Abgrund. Sie verschränkte die Arme und legte den Fuß auf das Armaturenbrett. Ich stieg aus und sah mir das rechte Hinterrad an. Sein Reifen hatte unten eine dümmlich und empörend rechtwinklige Form angenommen. Trapp hatte fünfzig Meter hinter uns gehalten. Sein fernes Gesicht war nur ein Fettfleck, doch dieser lachte. Mein Augenblick war gekommen. Ich ging auf ihn zu - mit der glänzenden Idee, ihn um einen Wagenheber zu bitten, obgleich ich einen hatte. Er fuhr ein Stück rückwärts. Ich stieß mit dem Zeh gegen einen Stein - eine Atmosphäre allgemeiner Heiterkeit war im Entstehen. Dann tauchte ein gewaltiger Lastwagen hinter Trapp auf und donnerte an mir vorbei - und gleich darauf hörte ich ihn krampf-hafthupen. Instinktiv drehte ich mich um-und sah, wie mein eigener Wagen sachte wegkroch. Ich konnte erkennen, daß Lo ungeschickt am Steuer saß und daß bestimmt der Motor lief - obwohl ich mich erinnerte, daß ich ihn abgestellt hatte, allerdings ohne die Handbremse zu ziehen; und in der kurzen Zeit eines Herzschlags, die ich brauchte, die belfernde Maschine zu erreichen, die endlich zum Halten kam, dämmerte mir, daß die kleine Lo in den letzten zwei Jahren reichlich Gelegenheit gehabt hatte, sich die Anfangsgründe des Autofahrens anzueignen, Als ich die Tür aufriß, war ich verdammt sicher, daß sie den Wagen in Bewegung gesetzt hatte, um mich von Trapp abzulenken. Ihr Trick erwies sich allerdings als überflüssig, denn während ich noch zu ihr lief, hatte der eine energische Kehrtwende gemacht und war nun verschwunden. Ich ruhte mich eine Weile aus. Lo fragte, ob ich ihr nicht dankbar sei - der Wagen habe sich von selber in Bewegung gesetzt, und ... Da sie keine Antwort bekam, vertiefte sie sich in das Studium der Karte. Ich stieg wieder aus und begann mit der «Marter des Räderns», wie Charlotte zu sagen pflegte. Vielleicht war ich im Begriff, den Verstand zu verlieren.
    Wir setzten unsere groteske Reise fort. Nach einer elenden und nutzlosen Fahrt bergab fuhren wir immer weiter bergauf. An einer steilen Steigung fand ich mich hinter dem gewaltigen Lastwagen, der uns überholt hatte. Unter schrecklichem Gestöhn kroch er jetzt eine gewundene Straße hinauf, auf der man ihn nicht überholen konnte. Aus seinem Vorderteil löste sich ein kleines Rechteck aus glattem Silber - die innere Hülle eines Kaugummis - und blieb einen Augenblick an unserer Windschutzscheibe kleben. Mir kam der Gedanke, daß ich am Ende noch einen Mord begehen könnte, wenn ich wirklich drauf und dran war, den Verstand zu verlieren. In der Tat - sagte der Humbert, der auf dem Festland hockte, zu dem Humbert, der sich irgendwo im Wasser abzappelte -, es wäre vielleicht ganz klug, die Dinge vorzubereiten, die Waffe aus der Dose in die Tasche zu überführen, um von dem Wahnsinnsanfall profitieren zu können, sobald er sich denn einstellte.

20
    Indem ich Lolita erlaubt hatte, an dem Schauspielkurs teilzunehmen, hatte ich verliebter Trottel ihr auch dazu verholfen, sich in der Verstellung zu üben. Jetzt kam heraus, daß es nicht nur um das Beantworten von Fragen wie «Was ist der Grundkonflikt in Hedda Gabler}» gegangen war, oder «Wo liegen die Höhepunkte in Liebe unter den Linden ?», oder «Analysieren Sie die vorherrschende Stimmung im Kirschgarten»-, in Wahrheit hatte sie gelernt, mich zu betrügen. Wie verwünschte ich jetzt die Übungen in Sinnensimulation, bei denen ich sie oft von einem strategischen Punkt unseres Wohnzimmers in Beardsley aus beobachtet hatte: Wie eine Hypnotisierte oder eine Mitwirkende in einem mystischen Ritus übte sie raffinierte Versionen kindlicher Verstellungskunst, indem sie mimetisch darstellte, sie höre im Dunkel ein Stöhnen, erblicke zum ersten Mal eine nagelneue junge Stiefmutter, koste

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