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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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wechselnden Wagen Ausgeburten meines Verfolgungswahns waren, immer wiederkehrende Bilder, die auf Zufall und zufälligen Ähnlichkeiten beruhten. Soyons logiques, krähte der gallische Teil meines Gehirns mit geschwollenem Kamm - und verjagte die Vorstellung eines lolitatollen Vertreters oder Komödiengangsters mit den entsprechenden Spießgesellen, die mich hetzten, narrten und auch auf andere Weise meine seltsamen Beziehungen zum Gesetz hemmungslos ausnutzten, Ich entsinne mich, meine Panik weggesummt zu haben. Ich entsinne mich, sogar eine Erklärung für den Anruf aus «Birds-ley» gefunden zu haben...
    Aber wenn ich auch Trapp beiseite wischen konnte, so wie ich meine Zuckungen auf dem Rasen von Champion beiseite gewischt hatte, so konnte ich doch nichts gegen die schmerzliche Erkenntnis tun, daß Lolita so nah und doch so hoffnungslos unerreichbar war und daß ich sie ausgerechnet jetzt so liebte, am Vorabend einer neuen Ära, da mir meine alchimistischen Berechnungen sagten, sie werde aufhören, ein Nymphchen zu sein, aufhören, mich zu foltern.
    Liebevoll zubereitet, erwartete mich eine zusätzliche, widerwärtige, gänzlich unverdiente Sorge in Elphinstone. Auf der letzten Etappe - zweihundert gebirgige Meilen, unverseucht durch rauchgraue Spürhunde oder zickzackfahrende Kasper - war Lo matt und schweigsam gewesen. Sie hatte kaum einen Blick für den berühmten, seltsam geformten, herrlich geröteten Felsen, der die Berge überragte und einem überdrehten Show-Girl als Sprungbrett ins Nirwana gedient hatte. Die Stadt war in zweitausendeinhundert Meter Höhe auf der flachen Talsohle erst vor kurzem erbaut oder wiederaufgebaut worden; ich hoffte, Lo würde sich hier bald langweilen, und wir könnten nach Kalifornien weitertrudeln, zur mexikanischen Grenze, zu mythischen Buchten, Saguarowüsten, Fata Morganas. Wie Sie sich wohl erinnern werden, trug sich José Lizzarra-bengoa mit dem Plan, seine Carmen in die Etats Unis zu bringen. Mir schwebte ein mittelamerikanisches Tennisturnier unter Beteiligung von Dolores Haze und einigen erstklassigen, blendend hübschen kalifornischen Spielerinnen im Schulmädchenalter vor. Gutnachbarlicher Grenzverkehr auf jener Ebene allseitigen Lächelns hebt den'Ünterschied zwischen Passport und Sport auf. Wieso hoffte ich, wir würden im Ausland glücklich sein? Ein Wechsel der Umgebung ist der traditionelle Wahn, an den sich eine zum Tode verurteilte Liebe - und Lunge - klammert.
    Mrs. Hays, die forsche, ziegelrot geschminkte, blauäugige Witwe, die das Motel leitete, fragte, ob ich zufällig Schweizer sei, weil nämlich ihre Schwester sei mit einem Schweizer Skilehrer verheiratet. Ich war es, während meine Tochter zufällig zur Hälfte irisch war. Ich trug uns ein, die Hays gab mir den Schlüssel und ein funkelndes Lächeln, und immer noch funkelnd zeigte sie mir den Platz, wo ich den Wagen parken könne; Lo kroch heraus und zitterte ein wenig; die strahlende Abendluft war entschieden frisch. Kaum eingetreten, setzte sich Lo an einen Klapptisch, vergrub ihr Gesicht in der Armbeuge und sagte, sie fühle sich hundeelend. Sie tut nur so, dachte ich, bestimmt tut sie nur so, um meinen Zärtlichkeiten zu entgehen; ich war ausgedörrt von Leidenschaft; aber sie begann, unge-wohnt fade zu wimmern, als ich zudringlich wurde. Lo-lita krank. Lolita todkrank. Ihre Haut war brennend heiß. Ich maß ihre Temperatur, oral, sah in einer Tabelle nach, die ich glücklicherweise in ein Notizbuch gekritzelt hatte, und nachdem ich die für mich sinnlosen Fahrenheit-Grade in die vertrauten Celsius-Grade meiner Kindheit umgerechnet hatte, stellte ich fest, daß sie 40,4 hatte; das ergab wenigstens einen Sinn. Bei hysterischen kleinen Nymphen, wußte ich, kann die Temperatur in phantastische Höhen steigen - selbst bis an jenen Punkt, da gewöhnliche Menschen sterben. Ich hätte ihr einen Schluck Glühwein und zwei Aspirin gegeben und die Hitze mit den Lippen restlos aus ihr herausgesogen, hätte ich nicht bei einer Untersuchung ihres wunderschönen Gaumenzäpfchens - eines der Juwele ihres Körpers - festgestellt, daß es glühendrot war. Ich zog Lolita aus. Ihr Atem war bittersüß. Ihre braune Rose schmeckte nach Blut. Sie zitterte von Kopf bis Fuß. Sie klagte, ihre Halswirbelsäule tue weh und sei steif - und wie alle amerikanischen Eltern es getan hätten, dachte ich an Kinderlähmung. Ich gab alle Hoffnung auf Geschlechtsverkehr auf, wickelte sie in ein Plaid und trug sie in den Wagen. Die

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