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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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dreifachem Känguruhsprung, bei dem ich mich ganz gerade auf gestreckten Beinen hielt, erst zwei Sprünge in seinem Rücken vollführte und dann in der Absicht, ihm den Weg abzuschneiden, mit einem ballettartigen steifen Sprung zwischen ihm und der Haustür landete, denn sie war nicht richtig geschlossen.
    Plötzlich würdevoll und ein wenig verdrossen, machte er sich daran, die breite Treppe hinaufzugehen, und ich wechselte meinen Standort, ohne ihm die Stufen hinauf zu folgen, und feuerte drei- oder viermal in schneller Folge und verwundete ihn bei jedem Schuß; und jedesmal, wenn ich es ihm antat, wenn ich ihm dies Schreckliche antat, zuckte sein Gesicht so clownhaft grotesk, als übertreibe er den Schmerz; er ging langsamer, verdrehte die Augen, schloß sie halb und stieß ein weibisches «Hach!» aus, und jedes Mal, wenn eine Kugel ihn traf, erschauerte er, als hätte ich ihn gekitzelt, jedes Mal, wenn ich ihn mit diesen meinen langsamen, klobigen, blinden Kugeln traf, sagte er mit verhaltenem Atem und affektiertem britischem Akzent - während er die ganze Zeit gräßlich zuckte, zitterte, grinste - in merkwürdig unbeteiligter und geradezu liebenswürdiger Art: «Ach, das tut weh, Sir, genug! Das tut grauenhaft weh, lieber Herr. Ich bitte Sie, halten Sie ein. Hach- sehr, sehr schmerzhaft fürwahr... Gott! Hach! Das ist fürchterlich, hach, Sie sollten wirklich nicht...» Seine Stimme verlor sich, als er den Treppenabsatz erreichte, aber all dem Blei zum Trotz, das ich in seinen gedunsenen Körper gefeuert hatte, ging er festen Schrittes weiter - und mit hilfloser Fassungslosigkeit wurde mir klar, daß ich nicht nur weit entfernt war, ihn zu erledigen, sondern dem armen Teufel Energiespritzen verabfolgt hatte, ganz als wären die Kugeln Kapseln gewesen, in denen ein berauschendes Jugendelixir spielte.
    Ich lud das Ding von neuem, mit Händen, die schwarz und blutig waren - ich hatte etwas angefaßt, das er mit seinem dicken Saft beschmiert hatte. Dann eilte ich zu ihm hinauf, und die Schlüssel klimperten in meiner Tasche wie Gold.
    Majestätisch blutend trottete er von Zimmer zu Zimmer, suchte nach einem offenen Fenster, schüttelte den Kopf und versuchte immer noch, mir den Mord auszureden. Ich zielte auf seinen Kopf, und mit einer königlich purpurnen Effusion dort, wo sein Ohr gewesen war, zog er sich in sein Schlafzimmer zurück.
    «Raus, raus hier», sagte er hustend und spuckend; und in einem Alptraum des Staunens sah ich diesen blutbesudelten, aber noch immer quicklebendigen Menschen sich ins Bett legen und in ein Chaos von Laken und Decken wickeln. Ich schoß aus nächster Nähe durch die Wolldecken, und dann legte er sich zurück, eine jugendlich wirkende große rosa Blase bildete sich auf seinen Lippen, wuchs zur Größe eines Luftballons an und zerplatzte.
    Mag sein, daß ich für ein paar Sekunden den Kontakt mit der Wirklichkeit verloren habe - nein, nicht der «Da hatte ich einfach ein Blackout»-Schwindel, mit dem der gewöhnliche Verbrecher sich so gern herausredet; ich möchte im Gegenteil betonen, daß ich für jeden vergossenen Tropfen seines Blasenblutes verantwortlich war; aber eine Art momentaner Verschiebung fand in mir statt, als sei ich im ehelichen Schlafzimmer und Charlotte liege krank im Bett. Quilty war ein sehr kranker Mann. Statt der Pistole hielt ich einen seiner Pantoffel in der Hand - ich saß auf der Pistole. Dann machte ich es mir in dem Sessel neben seinem Bett ein wenig bequemer und sah auf meine Armbanduhr. Das Glas war weg, aber sie tickte. Die ganze traurige Angelegenheit hatte über eine Stunde gedauert. Endlich war er still. Ich empfand überhaupt keine Erleichterung, im Gegenteil, auf mir lastete ein Gewicht, welches noch erdrückender war als jenes, das ich loszuwerden gehofft hatte; es war in mir, auf mir, über mir. Ich konnte mich nicht überwinden, ihn anzurühren, um mich zu vergewissern, daß er wirklich tot war. Er sah ganz so aus: Ein Viertel seines Gesichts war weg, und zwei Fliegen konnten ihr unglaubliches Glück noch gar nicht fassen.
    Meine Hände waren in kaum besserem Zustand als die seinen. Ich wusch mich, so gut es ging, im Badezimmer nebenan. Jetzt konnte ich gehen. Als ich ins Treppenhaus hinaustrat, entdeckte ich staunend, daß das lebhafte Gesumm, das ich für Ohrensausen gehalten hatte, in Wirklichkeit Stimmengewirr und Radiomusik war, die von unten aus dem Salon kamen.
    Ich fand eine Schar von Leuten dort, die anscheinend gerade eingetroffen

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