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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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gelangten, doch wir gelangten hin.
    Ich habe weiter nichts zu berichten, außer, primo, daß Groß-Haze Klein-Haze auf der Rückfahrt hinten sitzen ließ, und secundo , daß die Dame beschloß, sich Humberts Wahl hinter die eigenen wohlgeformten Ohren zu tupfen.
    Donnerstag. Wir zahlen mit Hagel und Sturm für den tropischen Monatsbeginn. In einem Band der Young People's Encyclopedia fand ich eine Landkarte der Vereinigten Staaten, die der Bleistift eines Kindes auf einem Blatt dünnen Papiers durchzupausen versucht hatte; auf seiner Rückseite, gegenüber den unfertigen Umrissen Floridas und des Golfs, stafid eine hektographierte Namensliste, offenbar ihr Jahrgang in der Ramsdaler Schule. Es ist ein Poem, das ich auswendig kann:
    Angel, Grace 
    Austin, Floyd 
    Beale, Jack 
    Beale, Mary 
    Buck, Daniel 
    Byron, 
    Marguerite 
    Campbell, Alice 
    Carmine, Rose 
    Chatfield, Phyllis 
    Clarke, Gordon 
    Cowan, John 
    Cowan, Marion 
    Duncan, Walter 
    Falter, Ted 
    Fantasia, Stella 
    Flashman, Irving 
    Fox, George 
    Glave, Mabel 
    Goodale, Donald 
    Green, Lucinda 
    Hamilton, Mary Rose 
    Haze, Dolores 
    Herzfield, Rosaline 
    Knight, Kenneth 
    McCoo, Virginia 
    McCrystal, Vivian 
    McFate, Aubrey 
    Miranda, Anthony 
    Miranda, Viola 
    Rosato, Emil 
    Schlenker, Lena
    Scott, Donald 
    Sheridan, Agnes 
    Sherva, Oleg 
    Smith, Hazel 
    Talbot, Edgar 
    Talbot, Edwin 
    Wain, Lull 
    Williams, Ralph 
    Windmuller, Louise

    Ein Poem, ein Poem fürwahr! So süß und seltsam war es, «Haze, Dolores» (sie!) mit einer Leibwache von Rosen in dieser Gartenlaube von Namen zu entdecken -eine Märchenprinzessin zwischen ihren beiden Ehrenjungfern. Ich versuche, mir den köstlichen Kitzel im Rückenmark zu erklären, den dieser Name zwischen all den anderen mir verschafft. Was erregt mich beinah zu Tränen (heißen, opalisierenden, dicken Tränen, wie Dichter und Liebende sie vergießen)? Was ist es? Das zart Anonyme dieses Namens unter seinem schwarzen Spitzenschleier («Dolores») und die abstrakte Vertauschung des Vor- und Zunamens, die irgendwie an ein Paar neuer bleicher Handschuhe oder eine Maske erinnert? Ist «Maske» das Schlüsselwort? Kommt es daher, daß ein spitzenverhülltes Geheimnis immer Entzücken erregt, der fließende Schal, durch den Auge und Leib, die man allein zu erblicken erwählt ist, im Vorübergehen einzig einem allein zulächeln? Oder kommt es daher, daß ich mir das farbenfrohe Klassenzimmer um meine rauchig rosige, dolorose Liebste so gut vorstellen kann? Grace und ihre reifen Pickel; Ginny und ihr zurückgebliebenes Bein; Gordon, den ausgezehrten Onanierer; Duncan, den übelriechenden Clown; Agnes mit ihren abgekauten Nägeln; Viola mit den schwarzen Mitessern und der biegsamen Büste; die hübsche Rosaline; die dunkelhaarige Mary Rose; die bezaubernde Stella, die Fremden erlaubt hat, sie zu berühren; Ralph, den Raufbold und Dieb; Irving, der mir leid tut. Und da ist sie, verloren in der Mitte, und kaut an einem Bleistift, die Lehrerinnen hassen sie, und aller Jungen Augen sind auf ihr Haar und ihren Hals gerichtet - meine Lolita.
    Freitag. Ich sehne mich nach einer furchtbaren Katastrophe. Erdbeben. Grandiose Explosion. Ihre Mutter ist wenn auch unsäuberlich, so doch sofort und für immer beseitigt, ebenso wie alle anderen auf Meilen im Umkreis. Lolita wimmert in meinen Armen. Ein freier Mann, nehme ich sie zwischen den Trümmern in Besitz. Ihre Bestürzung, meine Erklärungen, Beteuerungen, Winseleien. Müßige, idiotische Phantasiegespinste. Wäre Humbert nicht so feige, hätte er höchst abscheulich mit ihr gespielt (gestern zum Beispiel, als sie wieder in mein Zimmer kam, um mir ihre Zeichnungen, Schulkunstprodukte, zu zeigen); er hätte sie bestechen können, ohne daß es herausgekommen wäre. Ein unkomplizierterer und sachlicherer Mensch hätte sich nüchtern an käuflichen Ersatz gehalten - falls man weiß, wo er zu finden ist, ich weiß es nicht. Trotz meines männlichen Aussehens bin ich furchtbar schüchtern. Meiner romantischen Seele wird ganz klamm und schaurig bei dem Gedanken, in irgendeine greulich indezente Unannehmlichkeit zu geraten. Diese unflätigen Seeungeheuer damals. «Mais allez-y, allez-y!» Annabel hopst auf einem Fuß, um in ihre Shorts zu gelangen, ich bin seekrank vor Wut und versuche, mich schützend vor sie zu stellen.
    Dasselbe Datum, später, sehr spät. Ich habe Licht gemacht, um einen Traum aufzuschreiben. Seine Herkunft war mir klar. Die Haze

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