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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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hitzige kleine Haze ließ die frostige große Haze wissen, daß sie unter diesen Umständen nicht mit in die Kirche kommen werde. Mama sagte na schön und ging.
    Ich war unmittelbar nach dem Rasieren auf den Flur hinausgetreten, mit Seifenschaumohrläppchen und noch in meinem weißen Pyjama mit dem kornblumenblauen Muster (nicht dem lilafarbenen) am Rücken; jetzt wischte ich die Seife ab, parfümierte Haar und Achselhöhlen, schlüpfte in einen purpurseidenen Morgenmantel und ging nervös summend die Treppe hinunter, auf der Suche nach Lo.
    Ich möchte, daß meine gelahrten Leser an der Szene teilnehmen, die ich jetzt noch einmal durchspielen werde; ich möchte, daß sie jede Einzelheit prüfen und von sich aus erkennen, wie behutsam, wie keusch das ganze weinsüße Geschehnis ist, wenn man es mit «unvoreingenommener Anteilnahme» betrachtet, wie mein Anwalt sich in einem Privatgespräch mir gegenüber ausdrückte. Fangen wir also an. Ich habe eine schwierige Aufgabe vor mir.
    Hauptfigur: Humbert der Summer. Zeit: Ein Sonntagvormittag im Juni. Ort: Sonnenhelles Wohnzimmer. Requisiten: Altes, bonbongestreiftes Sofa, Illustrierte, Grammophon, mexikanische Nippsachen (der verstorbene Mr. Harold E. Haze - Gott segne den guten Mann - hatte meinen Liebling auf der Hochzeitsreise während der Siestastunde in einem blaugetünchten Zimmer in Vera Cruz gezeugt, und nun war das ganze Haus voller Andenken an ihn, darunter Dolores), An diesem Tag trug sie ein hübsches bedrucktes Kleid, das ich schon einmal an ihr gesehen hatte: weiter Rock, anliegendes Oberteil, kurzärmelig, rosa mit einem dunkleren Rosa kariert, und um die Farbskala zu vervollständigen, hatte sie die Lippen angemalt und hielt einen schönen, banalen, edenroten Apfel in den hohlen Händen. Die Kirchschuhe indessen hatte sie nicht an. Und ihre weiße Sonntagshandtasche hatte sie neben das Grammophon geworfen.
    Mein Herz schlug wie eine Trommel, als sie sich neben mich aufs Sofa setzte - kühler Rock, der sich bläht und wieder zusammensinkt - und mit ihrer glänzenden Frucht spielte. Sie warf den Apfel in die sonnendurch-stäubte Luft und fing ihn wieder - er machte ein hohles, glattes Plopp.
    Humbert Humbert fing ihn im Flug weg.
    «Geben Sie ihn wieder», bat sie und ließ die marmorierte Röte ihrer Handteller sehen. Ich hielt ihr den Deli-cious hin. Sie griff nach ihm und biß hinein, und mein Herz war wie Schnee unter dünner scharlachroter Schale, und mit der äffchenhaften Behendigkeit, die für dies amerikanische Nymphchen so bezeichnend war, entriß sie meinem Griff die Zeitschrift, die ich unwillkürlich aufgeschlagen hatte (wie schade, daß das merkwürdige Hin und Her, die monogrammhafte Verschränkung unserer gleichzeitigen oder sich überschneidenden Bewegungen nicht gefilmt wurde). Geschwind, kaum behindert durch den entstellten Apfel, den sie in der Hand hielt, durchblätterte Lo wild die Seiten, auf der Suche nach einem Bild, das sie Humbert zeigen wollte.
    Fand es schließlich. Ich heuchelte Interesse, indem ich ihr meinen Kopf so nahe brachte, daß ihr Haar meine Schläfe berührte und ihr Arm meine Wange streifte, als sie sich den Mund mit dem Handgelenk abwischte. Des goldbraunen Nebels wegen, durch den ich auf das Bild blickte, ließ meine Reaktion auf sich warten, und sie rieb und klopfte ihre nackten Knie ungeduldig gegeneinander. Verschwommen kam folgendes in Sicht: Ein surrealistischer Maler lag rücklings hingegossen an einem Strand und neben ihm, ebenfalls rücklings und halb im Sand vergraben, ein Gipsabguß der Venus Von Milo. «Das Bild der Woche», lautete die Unterschrift. Ich entriß ihr das obszöne Heft. Im nächsten Augenblick hatte sie sich in einem gespielten Versuch, es wiederzubekommen, voll auf mich geworfen. Ich hielt sie an dem dünnen, knochigen Handgelenk fest. Die Illustrierte flatterte wie ein aufgescheuchtes Huhn zu Boden. Sie wand sich los, ringelte sich zurück und lehnte sich tief in die rechte Ecke des Sofas. Dann streckte das unverschämte Kind mit vollkommener Selbstverständlichkeit seine Beine über meinen Schoß.
    Ich war mittlerweile in einem Zustand der Erregung, der an Wahnsinn grenzte; aber ich hatte auch die Schläue eines Wahnsinnigen. Auf dem Sofa sitzend, gelang es mir dank einer Reihe verstohlener Bewegungen, meine maskierte Lust mit ihren arglosen Beinen in Einklang zu bringen. Es war gar nicht leicht, die Aufmerksamkeit der kleinen Maid abzulenken, während ich die geheimen

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