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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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nicht göttlich in der Sonne» (auch kein Fragezeichen), Und mit einem Seufzer vorgetäuschter Befriedigung sank die schwer erträgliche Dame ins Gras, stützte sich auf ihre gespreizten Hände und sah zum Himmel auf; gleich darauf sprang ein alter grauer Tennisball über sie hinweg, und aus dem Haus tönte hochmütig Los Stimme: « Pardonnez , Mama, ich habe nicht nach dir gezielt. » Natürlich nicht, mein heißes dauniges Lieb.

12
    Dies sollte die letzte von etwa zwanzig Eintragungen sein. Man kann aus ihnen ersehen, daß allem Erfindungsreichtum des Teufels zum Trotz das Schema Tag für Tag das gleiche blieb. Erst führte er mich in Versuchung - dann durchkreuzte er alles und überließ mich einem wühlenden Schmerz an der Wurzel meines Seins. Ich wußte genau, was ich tun wollte und wie ich es tun konnte, ohne die Keuschheit eines Kindes anzutasten; immerhin hatte ich ja im Laufe einer lebenslangen Päderose einiges an Erfahrung gesammelt; hatte in Parkanlagen sonnengesprenkelte Nymphchen visuell besessen; hatte mich vorsichtig und bestialisch in die heißeste, überfüllteste Ecke eines Busses durchgekämpft, in dem es von an Haltegriffen hängenden Schulkindern nur so wimmelte. Aber fast drei Wochen hindurch war ich bei all meinen jämmerlichen Machenschaften unterbrochen worden. Verantwortlich für diese Unterbrechungen war gewöhnlich die Haze (die, wie der Leser beachten möge, eher fürchtete, Lo könnte an mir Gefallen finden, als daß ich Lo genösse). Die Leidenschaft, die dieses Nymphchen in mir entzündet hatte - das erste Nymphchen meines Lebens, das meine ungeschickten, schmerzenden, schüchternen Klauen endlich erreichen konnten -, hätte mich sicherlich wieder ins Sanatorium gebracht, hätte der Teufel nicht eingesehen, daß er mir schon ein wenig Erleichterung vergönnen müsse, sollte ich weiterhin sein Spielzeug abgeben.
    Dem Leser wird auch die kuriose Fata Morgana vom See nicht entgangen sein. Es wäre logisch von Seiten Aubrey McFatums (wie ich meinen Teufel nennen möchte) gewesen, mir an dem versprochenen Strand, in dem vorgesehenen Wald eine kleine Liebesgabe zu spendieren. Tatsächlich aber war das Versprechen, das Mrs. Haze gegeben hatte, Betrug: Sie hatte mir nicht gesagt, daß Mary Rose Hamilton (auch sie für sich genommen eine dunkelhaarige kleine Schönheit) mitkommen sollte, damit die beiden Nymphchen abseits flüstern und abseits spielen und sich miteinander verlu-stieren könnten, indes Mrs. Haze und ihr gutaussehender Untermieter in aller Ruhe halbnackt gesittete Gespräche führten, allen spähenden Blicken entrückt. Übrigens spähten doch Blicke und tuschelten doch Zungen. Das Leben ist schon sonderbar! Eben die Schicksalsmächte, um deren Gunst wir zu werben vorhatten, bringen wir eilends gegen uns auf. Ehe ich zu ihr kam, hatte meine Wirtin beabsichtigt, eine alte Jungfer, eine gewisse Miss Phalen, deren Mutter in Mrs. Hazes Familie Köchin gewesen war, ins Haus zu nehmen, damit sie für Lolita und mich sorge, während
    Mrs. Haze selber, im Grunde ihres Herzens eine Büromamsell, sich in der nächstgelegenen größeren Stadt einen passenden Job suchte. Sie hatte die ganze Situation ganz deutlich vor sich gehabt: Der bebrillte, gebeugte Herr Humbert kommt mit seinen mitteleuropäischen Koffern und hockt als Staubfänger in einem Winkel hinter einem Stapel alter Bücher; das ungeliebte, unansehnliche Töchterchen wird von Miss Phalen, die meine Lo schon einmal unter ihren Bussardflügeln hatte, streng beaufsichtigt (Lo erinnerte sich mit empörtem Schauder an jenen Sommer des Jahres i944);undMrs. Haze selber macht in einer eleganten Großstadt die Empfangsdame. Ein nicht besonders kompliziertes Ereignis vereitelte dieses Programm. Ausgerechnet an dem Tag, als ich in Ramsdale eintraf, brach sich Miss Phalen in Savannah, Georgia, das Hüftbein.

13
    Der Sonntag nach dem bereits beschriebenen Sonnabend erwies sich als genauso schön, wie der Wetterbericht es prophezeit hatte. Nachdem ich mein Frühstückstablett auf den Stuhl vor meinem Zimmer hinausgestellt hatte, damit meine wackere Wirtin es gelegentlich wegnehmen könne, schlich ich sacht in meinen alten Pantoffeln - dem einzigen an mir, was alt war - über den Flur zum Treppengeländer und erlauschte die folgende Lage.
    Es hatte wieder Zoff gegeben, Mrs. Hamilton hatte  angerufen und gesagt, ihre Tochter «habe Temperatur»: worauf Mrs. Haze ihre Tochter wissen ließ, daß das Picknick verschoben werden müsse. Die

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