Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
entschlossen war); «Tun Sie es lieber nicht, sonst schnappt ein gewisser Jemand noch ganz und gar über.» Im selben Augenblick stieß Lo ihren Teller mit gekochtem Fisch weg, warf dabei fast ihre Milch um und raste aus dem Eßzimmer. «Würde es Sie sehr langweilen», sprach die Haze, «morgen, wenn Lo sich für ihr schlechtes Benehmen entschuldigt hat, zum Baden an den Our-Glass-See ' mitzukommen?»
    Später hörte ich lautes Türenschlagen und anderen Lärm, der aus den bebenden Tiefen kam, wo die beiden Nebenbuhlerinnen einen fetzigen Krach miteinander hatten.
    Sie hat nicht um Entschuldigung gebeten. Der See ist abgesagt, Schade, es wäre sicher lustig geworden. Sonnabend. Wenn ich in meinem Zimmer schrieb, ' hatte ich schon seit ein paar Tagen die Tür ein wenig  offen gelassen, aber erst heute ist die Falle zugeschnappt. Mit viel zusätzlichem Umherzappeln, Schlurren, Scharren - um ihre Verlegenheit zu verber-' gen, daß sie mich unaufgefordert besuchte - kam Lo herein, lungerte herum und interessierte sich plötzlich für die Alptraumkrakel, die ich auf einen Bogen Papier gezeichnet hatte. O nein, sie waren nicht das Ergebnis einer schöpferischen Pause, die ein Belletrist zwischen zwei Absätzen einlegt; sie waren die (für sie unentzifferbaren) gräßlichen Hieroglyphen meiner verhängnisvollen Lüste. Als ihre braunen Locken über den Schreibtisch fielen, an dem ich saß, legte Humbert der Heisere in einer schlechten Nachahmung von Blutsverwandtschaft seinen Arm um sie; und mein naiver kleiner Besuch, der immer noch, etwas kurzsichtig, das Blatt, das er in der Hand hielt, studierte, sank langsam in einer halbsitzenden Haltung auf mein Knie. Ihr anbetungswürdiges Profil, ihre geöffneten Lippen, ihr warmes Haar waren keine zehn Zentimeter von meinem entblößten Augenzahn entfernt; und ich spürte die Hitze ihres Körpers durch den derben Stoff ihrer Jungentracht. Plötzlich war mir klar, daß ich ihren Hals oder den Winkel des Mundes völlig ungestraft küssen konnte. Ich wußte, sie würde es zulassen und sogar nach dem Vorbild von Hollywood die Augen dabei schließen. Eine Doppelportion Vanilleeis mit einem Klacks heißer Schokoladensauce - viel mehr würde es für sie nicht sein. Ich kann meinem gelehrten Leser (dessen Augenbrauen, fürchte ich, mittlerweile bereits über die ganze Glatze bis zum Nacken gewandert sind) nicht sagen, woraus ich das schloß; vielleicht hatte mein Gorillaohr unbewußt eine leichte Veränderung im Rhythmus ihres Atmens wahrgenommen - denn jetzt sah sie meine Kritzelei nicht wirklich an, sondern wartete neugierig und gefaßt - o mein vernünftiges Nünf-chen - darauf, daß der bezaubernde Mieter täte, was er für sein Leben gern getan hätte. Ein modernes Kind, eine fleißige Leserin von Filmmagazinen, eine Kennerin von traumlangsamen Großaufnahmen fände es vermutlich nicht allzu merkwürdig, wenn ein gutaussehender, sehr viriler, erwachsener Freund ... Zu spät. Das Haus gellte plötzlich von der Stimme der redseligen Louise, die der eben zurückgekehrten Mrs. Haze über irgend etwas Totes berichtete, das sie und Leslie Tomson im Keller gefunden hatten, und die kleine Lolita gehörte nicht zu denen, die sich so eine Geschichte entgehen lassen.
    Sonntag. Wetterwendisch, schlechtgelaunt, vergnügt, linkisch, anmutig, ein fohlenhafter Beinahe-Teenager von herber Grazie, unerträglich begehrenswert von Kopf bis Fuß (ganz Neu-England für die Feder einer Schriftstellerin!), von der schwarzen, fertiggekauften Schleife und den Spangen, die ihr Haar im Zaum halten, bis zu der kleinen Narbe am unteren Teil ihrer wohlgeformten Wade (wo ein Rollschuhläufer in Pisky sie getroffen hatte) ein paar Zentimeter oberhalb ihrer weißen Wollsocke. Mit ihrer Mutter zu den Hamiltons gegangen - Geburtstagsfeier oder so. Gingankleid mit weißem Rock. Ihre kleinen Äpfelchen scheinen schon ganz gut entwickelt. Frühreifer Schatz!
    Montag. Regnerischer Morgen. «Ces matins gm si doux ...» Mein weißer Pyjama hat ein lila Muster auf dem Rücken. Ich bin wie eine der gedunsenen blassen Spinnen, die man in alten Gärten sieht. Sie sitzen in der Mitte eines glitzernden Netzes und geben diesem oder jenem Faden einen kleinen Ruck. Mein Netz ist über das ganze Haus gespannt, und ich lausche von meinem Stuhl aus, auf dem ich wie ein verschlagener Hexenmeister sitze. Ist Lo in ihrem Zimmer? Ich zupfe leicht am Seidenfaden. Nein, da ist sie nicht. Habe eben die Toilettenpapierrolle beim Drehen

Weitere Kostenlose Bücher