Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
selbstgeschaffenen Serail war ich ein strahlender, kraftstrotzender Türke, der, seiner Verfügungsfreiheit voll bewußt, absichtsvoll den Augenblick hinausschiebt, in dem er die jüngste und zarteste seiner Sklavinnen genießen wird. Am Rande des Wollustabgrundes schwebend (eine Feinheit des physiologischen Gleichgewichts, die gewissen Techniken in Literatur und Musik vergleichbar ist), echote ich fortwährend irgendwelche Worte -Barman, Erbarmen, meine Carmen, Amen, Ahaha-men -, wie jemand, der im Schlaf spricht und lacht, und dabei glitt meine glückliche Hand, so hoch wie der letzte Schatten von Anstand es nur irgend zuließ, ihr sonniges Bein hinauf, Am Tage vorher hatte sie sich in der Diele an der schweren Truhe gestoßen, und «sieh doch nur!» - keuchte ich - «sieh nur, was du gemacht hast, was du dir da getan hast, ach, sieh doch nur»; denn da war, ich schwör's, wirklich eine gelblich-violette Stelle auf ihrem holden Nymphchenschenkel, den meine mächtige, behaarte Hand massierte und langsam umfaßte - und da sie nur sehr spärliche Unterkleidung trug, schien nichts meinen muskulösen Daumen daran zu hindern, die heiße Mulde ihrer Leiste zu erreichen -so wie man vielleicht ein kicherndes Kind kitzelt und streichelt- nur so - und: «Ach, das macht doch nichts», rief sie mit plötzlich schriller Stimme, wand sich und drehte sich und warf den Kopf zurück, und sie biß sich in ihre glitzernde Unterlippe, als sie sich halb von mir wegwandte, und mein stöhnender Mund - meine Herren Geschworene - erreichte fast ihren bloßen Nacken, während ich die letzte Zuckung der längsten Ekstase, die Mensch oder Monster je zuteil wurde, an ihrer linken Gesäßhälfte verebben ließ.
    Unmittelbar danach (als hätten wir gerungen, und nun hätte sich mein Griff gelockert) rollte sie vom Sofa und sprang auf die Füße - vielmehr auf den Fuß -, um das fürchterlich laute Telephon zum Schweigen zu bringen, das, was mich betrifft, vielleicht schon seit Ewigkeiten läutete. Da stand sie und blinzelte mit heißen Wangen und verwuscheltem Haar, ihr Blick glitt so flüchtig über mich hin wie über die Möbel, und während sie zuhörte oder sprach (mit ihrer Mutter, die ihr sagte, sie solle auch zum Lunch zu den Chatfields kom-men - weder Lo noch Hum ahnten, welche Ränke die geschäftige Haze schmiedete), klopfte sie die ganze Zeit mit dem Pantoffel, den sie in der Hand hielt, gegen die Tischkante. Gottseidank, sie hatte nichts gemerkt!
    Mit einem buntfarbigen seidenen Taschentuch, auf dem ihr wandernder Blick flüchtig ruhte, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und ordnete, in eine erlöste Euphorie versunken, meine königlichen Gewänder. Sie telephonierte immer noch und feilschte mit ihrer Mutter (wollte im Auto abgeholt werden, meine Carmencita), als ich, lauter und lauter singend, die Treppe hinauffegte und eine Sintflut kochenden Wassers in die Wanne rauschen ließ.
    An dieser Stelle möchte ich den vollen Wortlaut jenes Schlagers wiedergeben, wenigstens so weit er mir noch gegenwärtig ist - ich glaube, ich habe ihn nie richtig gekonnt. Hier ist er:
    O meine Carmen, o kleine Carmen!
    Die tamtata tamta, die Nächte zu zweit,
    Und die Bars und der Barman, dein Charme und die warmen
    Abende, Süße, und unser schrecklicher Streit.

    Und die Tamtatastadt, wo wir so heiter und Arm in Am spazierten, 
    und dann unser letzter Krach, Und der Colt, der dich kaltmachte, meine barmende Carmen, 
    Der Colt hier in meiner Hand, ach.

    (Worauf er vermutlich seinen Revolver vom Kaliber 8,2 zog und der Räuberbraut eine Kugel ins schwarze Auge jagte.)

14
    Mittags aß ich in der Stadt - seit Jahren war ich nicht so hungrig gewesen. Als ich zurückgeschlendert kam, war das Haus noch immer lolitalos. Ich verbrachte den Nachmittag mit Nachdenken und Plänemachen und mit dem glückseligen Verdauen meines morgendlichen Erlebnisses.
    Ich war stolz auf mich. Ich hatte mir die Süße eines Orgasmus erlistet, ohne die Moral einer Minderjährigen anzutasten. Nichts Schlimmes passiert, gar nichts. Der Zauberer hatte Milch, Sirup, schäumenden Champagner in die neue weiße Handtasche einer jungen Dame geschüttet; und siehe da, die Tasche war unbeschädigt. So hatte ich eins-zwei-drei meinen gemeinen, glühenden, sündigen Traum aufgebaut; und Lolita war immer noch unversehrt - und ich desgleichen. Was ich so rasend besessen hatte, war gar nicht sie gewesen, sondern meine eigene Schöpfung, eine andere, eine Phantasie-Lolita - vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher