Lolita (German)
gestraft freilich von seiner nachformenden Liebkosung), der einem kallipygen Sklavenkind hilft, eine Onyxsäule zu erklimmen. Es hätte jene gonaden-glühenden Leuchtkügelchen gegeben, die an der opaleszierenden Seite von Musikautomaten emporwimmeln. Es hätte alle Arten von Sommerlageraktivitäten seitens der mittleren Gruppe gegeben: Canoes, Comics, Courantändeleien in der Ufersonne. Es hätte Pappeln gegeben, Apfel, einen Sonntag in Suburbia. Es hätte einen feurigen Opal gegeben, der sich in den ringförmigen Wellchen einer Teichoberfläche auflöst, ein letztes Erbeben, einen letzten Schuß Farbe, stechend rot, schmerzend rosa, ein Seufzen, ein zusammenzuckendes Kind.
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Alles dies versuche ich nicht zu beschreiben, um es in meinem jetzigen grenzenlosen Elend noch einmal zu durchleben, sondern um in jener schrecklichen, verrücktmachenden Welt - der der Nymphchenliebe - das Höllische vom Himmlischen zu trennen. Das Viehische und das Schöne verschmolzen an einem Punkt miteinander, und ich würde gern die Grenzlinie bestimmen und habe das Gefühl, daß es mir ganz und gar mißlingt. Warum?
Die Klausel des Römischen Rechts, nach der ein Mädchen mit zwölf Jahren heiraten darf, wurde von der Kirche übernommen und gilt in manchen der Vereinigten Staaten stillschweigend noch heute. Und mit fünfzehn erlaubt das Gesetz es überall. Beide Hemisphären halten es für völlig in Ordnung, wenn ein vierzigjähriges Viech mit dem Segen des zuständigen Geistlichen und aufgeschwemmt vom Saufen seinen schweißgetränkten Staat abwirft und sich bis ans Heft in seine jugendliche Braut rammt. «In so stimulierenden gemäßigten Klimata wie St. Louis, Chicago und Cincinnati [schreibt eine alte Illustrierte dieser Gefängnisbiblio-thek] werden Mädchen gegen Ende des zwölften Lebensjahres geschlechtsreif.» Von Dolores Hazes Geburtsort zum stimulierenden Cincinnati waren es weniger als dreihundert Meilen. Ich bin nur der Natur gefolgt. Ich bin der getreue Spürhund der Natur. Warum also dies Grauen, das ich nicht abschütteln kann? Habe ich sie ihrer Blüte beraubt? Feinfühlige Damen Geschworene, ich war nicht einmal ihr erster Liebhaber.
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Sie erzählte mir, wie sie verführt worden war. Wir aßen fade, mehlige Bananen, angestoßene Pfirsiche und sehr schmackhafte Kartoffelchips, und die Kleine erzählte mir alles. Ihren beredten, aber abgehackten Bericht begleitete drolliges Gesichterschneiden. Ich habe schon bemerkt, glaube ich, daß ich mich ganz besonders einer sarkastischen Grimasse auf «Uff-Ebene» erinnere: seitwärts verzogener Wackelpetermund, die Augen in einer Standardmischung aus komischem Ekel, Resignation und Nachsicht mit jugendlichen Schwächen aufwärts verdreht.
Ihre erstaunliche Geschichte hob an mit einer Erwähnung ihrer Zeltgenossin vom vergangenen Sommer, in einem anderen Camp, einem «piekfeinen», wie sie sich ausdrückte. Diese Zeltgenossin («eine ziemlich verwahrloste Person», «halb verrückt», aber ein «feiner Kerl») hatte ihr verschiedene Manipulationen beige-bracht. Zuerst weigerte sich die loyale Lo, mir ihren Namen zu nennen.
«War es Grace Angel?» fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. «Nein, die nicht, es war die Tochter von einem hohen Tier. Er ...»
«War es vielleicht Rose Carmine?»
«Nein, natürlich nicht. Ihr Vater ...»
«Dann war es wohl Agnes Sheridan?»
Sie schluckte und schüttelte den Kopf - und hakte nach einer kleinen Denkpause nach: «Sag mal, woher kennst du eigentlich all die Kids?»
Ich erklärte es.
«Weißt du», sagte sie, «ein paar aus der Schule sind schon ziemlich übel, aber so übel nun doch nicht, Wenn du es unbedingt wissen willst, ihr Name ist Elizabeth Talbot, sie geht jetzt auf eine schicke Privatschule, ihr Vater ist Topmanager.»
Es gab mir einen Stich, als ich mich daran erinnerte, wie häufig die arme Charlotte in ihr Partygeplauder elegante Brocken wie «als meine Tochter voriges Jahr mit der kleinen Talbot eine Wanderung machte» hatte einfließen lassen.
Ich wollte wissen, ob ihre oder Elizabeths Mutter von diesen sapphischen Zerstreuungen erfahren hatte.
«Um Himmels willen», hauchte eine zusammensinkende Lo und mimte Schreck und Erleichterung, indem sie eine vorgeblich zitternde Hand an die Brust drückte.
Ich interessierte mich allerdings mehr für heterosexuelle Erlebnisse. Sie war mit elf in die sechste Klasse gekommen, bald nachdem sie aus dem Mittelwesten nach Ramsdale gezogen war. Was verstand sie unter «ziemlich
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