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London 1666

London 1666

Titel: London 1666 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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schweifte Liliths Blick nach oben, wo eine in das riesige Bogenfenster eingelassene kleine Lüftungsluke offenstand. Durch sie hätte jedoch höchstens ein Vogel entfliehen können.
    Oder eine -
    Gedankenverloren kehrte Lilith zu den Bürgern zurück, die mit lobenswerter Duldsamkeit in der Nähe des morschen Gerippes, das aller Wahrscheinlichkeit nach einmal jenem Ned Joyce gehört hatte, auf sie warteten.
    »Wie ist dein Name?« fragte sie den Mann, mit dem sie sich am häufigsten unterhalten hatte und dessen Äußeres ihr von allen am sympathischsten war.
    »William Wight.«
    »Schön, William. Hättest du wohl eine Bleibe für mich?«
    Er sah sie nur an, als wüßte er nicht, wie er ihre Frage verstehen sollte.
    »Wie groß ist deine Familie? Wer lebt alles in deinem Haus?«
    »Ich bin verheiratet. Mit Deb ...« »Deb?«
    »Deborah. Wir haben zwei Kinder: Helen und Evelyn.« Lilith nickte. »Ich werde versuchen, euch nicht allzusehr zu stören.«
    *
    Unter Kyles Sohlen knirschten Scherben. Er lauschte. Hier endete die Spur. Ruby war in dieses Haus gegangen, aber nicht wieder herausgekommen, soviel war nach vampirischem Ermessen sicher, nachdem Kyle das Gebäude umrundet und das umliegende Terrain ausgelotet hatte.
    Seine Verwirrung war seit der Etappe, die ihn in die St. Magnus Church geführt hatte, nicht geringer geworden. Statt Ruby hatte er dort eine andere - blutjunge - Frau angetroffen. Sie war mit einer Gruppe Männer umgesprungen wie mit hörigen Sklaven. Kyle hatte sich nicht zu erkennen gegeben, aber seine Beobachtungen und das Verhör (er wußte nicht, wie er es anders nennen sollte), das er belauscht hatte, beunruhigten ihn zutiefst.
    Der direkten Konfrontation mit der Unbekannten hatte er sich entzogen. Aber im nachhinein waren bohrende Zweifel erwacht, ob dies das richtige Verhalten gewesen war. Immerhin war er auf der Suche nach Antworten, was aus den anderen Mitgliedern seiner Sippe geworden war. Und diese Frau mit der Gabe, sich andere Menschen zu unterwerfen .
    ... konnte sie nicht sein wie er?
    Konnte sich hinter ihrer menschlichen Hülle nicht einer seiner Geschwister verbergen, den die fremde Macht ebenfalls mit einem Sterblichen verschmolzen hatte .?
    Wäre ihm die Idee früher gekommen, hätte er es wahrscheinlich auf eine Begegnung ankommen lassen.
    Doch dann wäre er jetzt nicht hier gewesen.
    In Rubys Versteck.
    Von dem Mädchen mit dem Jaucheblut erhoffte er sich Aufklärung über die Ereignisse, die zum Verschwinden der Sippe und seinem Identitätsverlust geführt hatten.
    Ruby roch wie das Verhängnis, das damals über ihn gekommen war. Sie stank förmlich danach - zumindest seit sich seine Zähne in ihre Haut gebohrt hatten.
    Oh, sie war bei weitem nicht die Unschuld, die sie nach außen vorspiegelte und der er als Samuel Pepys auf den Leim gegangen war. Sie wußte entschieden mehr, als sie vorgab. Sie mußte mehr wissen -und er würde es schon aus ihr herausbringen .!
    Kyles Augen erfaßten das Zimmer, das auch Ruby als erstes gesehen haben mußte, als sie in dieses Haus eingebrochen war. Lange konnte das noch nicht her sein. Dennoch: Hier, in diesen vier Wänden, hielt sich weder sie noch eine andere Person auf.
    Es war das, was die Bürgerlichen ihre »gute Stube« nannten. Die meiste Zeit aber hielten sie sich - außer zum Schlafen - in ihren Eßküchen auf.
    Kyle öffnete die Tür, zu der er mit wenigen raumgreifenden Schritten gelangt war.
    Dahinter lag ein Gang. Finster und still.
    Aber nicht finster genug. Pepys' veränderten Augen entging nichts. Magie machte sie sehend.
    Kyle nahm die Witterung auf. Er fühlte die Menschen im Haus. Auch Ruby.
    Weiter! trieb er sich an.
    Am Ende des Ganges: eine Treppe. Kyle hatte das Gefühl, schwerelos darauf zuzutreiben und auch die Stufen mit raubtierhafter Leichtigkeit, kaum zu bändigender Kraft zu erklimmen. Wie gut er sich fühlte.
    (Oder doch nur böse?)
    Oben ein neuer Korridor, etwas breiter als der darunterliegende, aber parallel dazu verlaufend. Bilder an den Wänden; billige Gemälde von zweit- oder gar drittklassigen Künstlern.
    Kyle hatte einen Blick dafür. Dank Pepys, dessen komplettes Wissen und Leben jederzeit abrufbereit zu seiner Verfügung stand.
    (Existierte dieser Pepys noch? Neben ihm? Hatte er sich nur in einen fernen Winkel seines Gehirns verkrochen und hielt sich dort furchtsam vor dem ungebetenen Eindringling verborgen?)
    Aus einigen Zimmern, an denen Kyle vorbeihuschte, drangen auffällige Laute. Trotzdem

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