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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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kurz, die Beine zu lang, aber ansonsten saß er wie angegossen. Ich nahm ein frisches weißes Hemd von Boss aus dem Kleiderschrank. Auch das passte einwandfrei.
    Es klingelte an der Tür.
    Briony. Sie sah umwerfend aus in ihrem schwarzen Kostüm. Ich sagte:
    »Du siehst umwerfend aus.«
    »Ich weiß.«
    Sie kam rein und musterte mich kritisch, sagte:
    »Und du siehst aus wie ein Totengräber.«
    »Danke, Bri.«
    Sie kramte in ihrer Tasche, holte eine frische Rose heraus, fragte:
    »Wird das gehen?«
    »Perfekt.«
    »Darf ich was trinken?«
    »Klar, was willst du?«
    »Irgendwas, das reinhaut, ich hab nur zwei Ludes intus.«
    »Black Bush?«
    »Herrlich.«
    Sie stieß mit ihrem Glas an meinem Bier an, sagte:
    »Auf Michael.«
    »Wen?«
    »Deinen Freund.«
    »Joe.«
    »Bist du sicher?«
    »Glaub mir, hundertprozentig.«
    »Okay, auf Joe.«
    Wir tranken. Ich rief ein Taxi, und es kam in nullkommanichts. Ein Rastafari. Im Wagen stank es heftig nach Gras. Als ich sagte: »Peckham«,
    erwiderte er: »Klar, Mann.«
    Der Friedhof liegt hinter der Bushaltestelle. Auf der anderen Straßenseite ist ein Bingo-Saal. Ich dachte, Joe würde sich freuen, jemanden
    BINGO! rufen zu hören.
    Der Bestatter wartete bereits. Das Grab war vorbereitet, zwei Männer standen daneben. Kein Pfarrer. Zwei Minuten später kam noch ein Mann.
    »Dr. Patel«, sagte ich, »schön, dass Sie kommen konnten«, und stellte ihm Bri vor. Sie hielt seine Hand länger fest als angebracht. Der Bestatter fragte:
    »Irgendwelche letzten Worte?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er machte den Männern Zeichen, und sie ließen den Sarg hinunter. Ich warf die Ausgabe von The Big Issue hinein, und Bri ließ die Rose fallen. Plötzlich tauchte am Tor ein Mann in Kilt und vollem schottischen Ornat auf - einschließlich Dudelsack - und spielte »The Lonesome Boatman«.
    Ich versteh ja nichts von Schönheit, aber er spielte schön. Bri sagte:
    »Eine Überraschung.«
    »Wo hast du den aufgetrieben?«
    »Stand draußen vor Selfridges, der spielt da regelmä-ßig.«
    »Danke, Bri.«
    Sie lächelte mich geheimnisvoll an, sagte: »Danke für den Arzt.«
    Oh-ha.
    Ich drückte den Totengräbern etwas Geld in die Hand. Einer sagte: »Wussten Sie, dass Rod Stewart Totengräber war?«
    Was soll man dazu sagen? Ich fragte:
    »Singen Sie?«
    »Absolut nicht, Alter.«
    Das Lachen der beiden klang herzlich und vertraut. Dann bezahlte ich den Dudelsackspieler.
    Dr. Patel war in ein Gespräch mit Bri vertieft. Ich sagte:
    »Es ist üblich, dass man nach einer Beerdigung zusammen noch was trinkt. Darf ich euch einladen?«
    »Ja.«
    Sagten beide.
    Um möglichst schnell aus Peckham rauszukommen, gingen wir ins Charlie Chaplin am Elephant and Castle. Das Beste, was sich darüber sagen lässt ist ... es ist groß.
    Bri und der Arzt setzten sich an einen Tisch, und ich ging bestellen.
    Der Barmann war sichtlich nicht der Allerhellste, platzte heraus mit:
    »Schöner Anzug.«
    »Schon seit Jahren in Familienbesitz.«
    Seine Augen strahlten, weil er dachte: »Wichtiger Mann!« Er sagte:
    »Geben Sie ihn nicht weg.«
    »Tu ich nicht.«
    Mein Vorrat an geistreichen Bemerkungen war erschöpft, ich bestellte
    getoastete Sandwiches
    Hot Toddies
    Biere
    Fritten
    Erdnüsse.
    Als er endlich alles an den Tisch brachte, rief er aus:
    »Voilá!«
    Wir hauten rein. Der Doc war nicht zimperlich. Er kippte den heißen Drink, spülte mit Bier nach, biss hungrig in ein Sandwich. Bri warf Geld in die Jukebox, und wir wurden zugedröhnt mit:
    »Hey, if you happen to see the most beautiful girl ...«
    Sogar ich kann das singen. Ich sagte:
    »Doc, das war toll von Ihnen, dass Sie gekommen sind.«
    »Nennen Sie mich Sanji.«
    »Ich versuch’s.«
    Er lachte, fragte dann:
    »Finden Sie’s schrecklich, wenn ich sage, dass mir das hier Spaß macht?«
    »Überhaupt nicht, das soll sogar so sein.«
    Bri kam zurück, sagte:
    »Die Jukebox ist voll auf dem neusten Stand.« Dann wandte sie sich an Sanji, fragte:
    »Wurden Sie in Indien geboren?«
    »Ja. Ich stamme aus Goa. Abgesehen von Raves und Hippies haben wir auch noch die sterblichen Überreste des heiligen Franz Xaver zu bieten.«
    Bri und ich müssen ziemlich ratlos ausgesehen haben. Er fragte:
    »Sie sind nicht katholisch?«
    »Nicht mal anständige Atheisten.«
    Er kaute auf ein paar Erdnüssen herum, sagte:
    »Sein Leichnam wurde konserviert, das gilt als Wunder.«
    Da mir nichts dazu einfiel, sagte ich auch nichts. Er fuhr fort.
    »Sein Zeh wurde

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