London Boulevard - Kriminalroman
Bandenkrieg.«
Mir dämmerte, was er mit »gemütlich« meinte.
Es klopfte an der Tür - Jordan.
»Madame ist fertig.«
Er fuhr den Wagen vors Haus. Sie tauchte wenige Minuten später auf. Trug ein weißes Leinenkostüm und einen weichen Filzhut. Sie sah ... alt aus. Ich hielt ihr die Tür auf, ging anschließend zur Fahrerseite.
Jetzt weiß ich, warum Leute, die so was fahren, arrogant sind. In dem scheiß Wagen fühlt man sich wie was Besseres. Als wir losrollten, sagte ich:
»Alles klar?«
Sie sagte die ganze Fahrt über kein Wort. War mir egal. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf den Wagen. Die Sache ist nämlich außerdem die: Wie soll man danach jemals wieder was anderes fahren? Ich meine, sollte ich mich ans Steuer eines klapprigen Volvos setzen und denken: »Wow, das ist gut«?
Man fällt enorm auf. Von Bewunderung über Staunen bis hin zu Verachtung ist alles dabei. Viele junge Fahrer versuchen, einen zu schneiden, aber dafür braucht es schon mehr als ein japanisches Stadtauto.
Wir erreichten das Old Vic und ich fuhr links ran. Ich sagte:
»Ich geh schnell rein und sage Bescheid.«
»Ich warte.«
Der Pförtner, ein junger Typ, hatte noch nie von ihr gehört, sagte:
»Hab noch nie von ihr gehört, Alter.«
Wir stritten rum, bis ein älterer Mann auftauchte, fragte:
»Was ist hier los?«
»Lillian Palmer wartet draußen, sie ist mit Mr. Bailey verabredet.«
Sein Gesicht strahlte plötzlich:
»Lillian Palmer, mein Gott!«
Er rannte los, um Bailey zu holen. Der junge Typ fragte:
»Was, ist die berühmt, oder wie?«
»Das werden wir gleich sehen.«
Ein Mann kam mit langen Schritten und einem Geschwader von Assistenten im Schlepptau den Gang entlang. Er sah aus wie ein gebügelter George C. Scott. Er hatte keine Reitstiefel und kein Megaphon, aber er sah so aus, als ob. Er sagte:
»Ich bin Bailey.«
Ich sagte meinen Spruch auf, von wegen Lillian Palmer würde erwartet, und er schrie:
»Holt Philips. Aber erst mal wollen wir jetzt Miss Lillian Palmer in Empfang nehmen.«
Er wusste ganz genau, wie er sie angehen musste. Führte sie am Arm ins Theater, auf die Bühne, wandte sich um und sagte:
»Meine Damen, meine Herren, liebe Mimen, hier kommt ein Star.«
Ein Scheinwerfer war auf sie gerichtet, und die Leute scharten sich um sie.
Sie verwandelte sich, dreißig Jahre fielen einfach so von ihr ab. Ich dachte:
»Wow, die muss schon toll gewesen sein.« Bailey hatte meinen Gesichtsausdruck wohl richtig interpretiert, denn er antwortete:
»Das war sie und eine verdammt gute Schauspielerin. Gibt es Jordan noch?«
»Ja, gibt es.«
»Er war mit ihr verheiratet, wissen Sie. Verdammt, irgendwie waren wir das alle mal.«
Er sah mich an, fragte:
»Pflügen Sie jetzt den Acker?«
»Was?«
»Ich könnt’s Ihnen nicht verdenken, mein Freund, sie hat Klasse.«
»Haben Sie das Skript gelesen?«
»Mindestens einmal pro Jahr. Kaum zu glauben, dass es immer noch schlimmer wird.«
Bailey ließ Champagner und Canapés kommen, und sie tranken und aßen auf der Bühne ... endlich wurde auch Philips aufgetrieben und ja, er hatte drei Mal angerufen. Sie hatten den Ghost zu Promotionzwecken leihen wollen. Bailey sagte:
»Letztlich geht’s immer um Autowerbung.«
Lillian erfuhr davon nichts. Sie folgten uns zum Wagen, verabschiedeten sie sehr herzlich.
Sie war außer sich vor Freude, sagte:
»Haben Sie gesehen, haben Sie gehört? Man liebt mich! Ich werde meinen Platz zurückerobern. Halten Sie irgendwo. Ich will, dass Sie mich lieben.«
Ich fuhr auf der Nordseite des Hyde Park ran. Stieg hinten ein und besorgte es ihr, als würde ich es ernst meinen. Als ich danach ausstieg, bekam ich Applaus von zwei Parkwächtern.
Ganz schön viel Show für einen Tag.
D onnerstag, zurück zur eigentlichen Arbeit. Rauf aufs Dach, die lockeren Schieferziegel herunterschlagen. Ich hörte sie auf der Terrasse aufkommen und zerbrechen, als wären sie aus Glas. Wäre ich ein bisschen überspannt, würde ich sagen, wie Träume, aber es waren nur alte kaputte Schieferplatten. Madame telefonierte den ganzen Tag, bestellte neue Kleider, den Friseur, flötete ihre Freunde zuckersüß an. Noch hatte ich keinen davon kennengelernt, aber ich dachte, mit dem »Bridge-Abend« würde sich das sowieso ergeben.
Am Abend duschte ich und beschloss, mir Fish and Chips zu holen und Edward Bunker zu lesen. Den neuen Pelecanos hob ich mir als besonderen Leckerbissen auf. Mein Telefon war inzwischen angeschlossen, und damit
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