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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Ihnen was sagen: Legen Sie los, haben Sie Spaß, genießen Sie Ihr Leben, denn eins steht fest, sie wird Sie verlassen, das tut sie immer. Dann wird sie Frank wieder auferstehen lassen und sich erneut dem Koks, den Knarren und ihrem Irrsinn zuwenden.«
    »Wie soll ich dann weiterleben?«
    Ich fasste ihm an die Schulter, sagte:
    »Wie wir alle, mein Freund - so gut es eben geht.«

D ie nächsten beiden Wochen verliefen ruhig. Ich machte meine Arbeit, las meine Bücher, war der Schauspielerin zu Diensten.
    Ich hoffte, wenn Gant käme, würde ich vorbereitet sein. Ansonsten wäre ich gearscht.
    Es war wie in dem Song von Chris de Burgh - »Waiting for the Hurricane«. Der Bridgeabend brachte den Beweis dafür, dass Tote tatsächlich wiederauferstehen. Drei Männer und eine Frau. Alle mumifiziert. Dass sie noch am Leben waren, erkannte man nur daran, dass sie Zigaretten rauchten.
    Ich spielte nicht mit, und niemand sprach mit mir. Außer Lillian, die zwei Dinge ständig wiederholte:
    (1) Noch einen Highball, Darling.
    (2) Leer die Aschenbecher, Darling.
    Ach ja, ein Geschenk bekam ich auch. Ein silbernes Zigarettenetui. Ich schenkte es einem Penner auf dem Queensway, der mir hinterherschrie:
    »Scheiße, was ist das denn?«
    Genau.
    Dass alles anders wurde, fing mit einem Anruf vom Doc an, der sagte:
    »Sie ist weg.«
    »Tut mir leid.«
    »Was soll ich machen?«
    »Kehren Sie in Ihr altes Leben zurück.«
    »Welches Leben?«
    Willkommen im Jammertal.
    Nach zwei Wochen hatte ich Hummeln im Hintern. Ein Philosoph hat gesagt:
    »Alles Unheil kommt von einer einzigen Ursache, dass die Menschen nicht in Ruhe in ihrer Kammer sitzen können.«
    Er hatte recht.
    Ich ging zu Finch’s in der Brompton Road. Aus einer Laune heraus. Ich hatte die Gucci-Jacke an und denke, ich sah nicht komplett abgerissen aus. In der U-Bahn hatte jemand eine Ausgabe der South London Press liegen gelassen. Ich war gerade darin vertieft, als die District Line mal wieder schlappmachte. Fast hätte ich ihn übersehen. Ein kleiner Artikel ganz unten auf der Seite. Draußen vor einem Wohnblock in Clapham war ein Mann tot aufgefunden worden. Opfer eines Raubüberfalls. Ich erkannte den Namen des Mannes und die Adresse.
    Ich trug seine Jacke, hatte in seiner Wohnung gewohnt.
    Bei Finch’s bestellte ich ein Bitter, ging damit an einen ruhigen Tisch. Drehte mir eine und überlegte, ob es für einen Whiskey noch zu früh war.
    Nach der South London Press und all dem verfiel ich in ein leeres Neun-Meter-Starren. Ich merkte es gar nicht, passierte einfach so. Die Angewohnheit habe ich mir im Gefängnis zugelegt. Ganz allmählich begriff ich, dass jemand mit mir sprach. Ich stellte den Blick wieder scharf, merkte, dass ich weder mein Bier angerührt noch die Zigarette angezündet hatte. Eine Frau am Nachbartisch sagte:
    »Dachte schon, Sie wären weggetreten.«
    Ich sah sie an, ganz ernsthaft. Sie war Ende dreißig, trug eine hellbraune Wildlederjacke, ein schwarzes T-Shirt und ausgewaschene Jeans. Dunkle Haare, hübsches Gesicht und eine große Narbe unter dem linken Auge. Ich sagte:
    »Hab nachgedacht.«
    »Sie waren wie im Koma.«
    Irischer Akzent. Die weichen Vokale erkennt man immer. Beruhigend. Ich nahm einen herzhaften Schluck Bier, fragte:
    »Wollen Sie mich aufreißen?«
    »Weiß nicht. Bis jetzt gab’s nicht viel zu reißen.«
    Sie war attraktiv, keine Frage, aber ich zögerte. Sie sagte: »Im Irischen gibt’s ein wunderschönes Wort, brónach ... das bedeutet Traurigkeit, aber noch viel mehr. Egal, so haben Sie jedenfalls ausgesehen.«
    Und ich bekam immer noch nicht den Mund auf. Eine hübsche Frau liefert mir eine Steilvorlage, und mich lähmt eine entsetzliche Lethargie.
    Sie meinte: »Ihr Gesicht ist ganz schön lädiert, wissen Sie das. Die gebrochene Nase, die Prellungen, tut das noch weh?«
    Endlich sagte ich:
    »Möchten Sie was trinken?«
    »Nein, ich hab noch, danke.«
    Im Zweifelsfall immer gemein werden. Im Knast funktioniert das bestens. Ich fragte:
    »Wie kommt’s, dass Sie ganz alleine in einem protzigen Scheißpub nördlich des Flusses sitzen?«
    Wirkte wie ein Schlag ins Gesicht. Sie berührte ihre Narbe, sagte: »Fällt das so sehr auf?«
    Gnadenlos legte ich nach:
    »Wollen Sie das nicht machen lassen?«
    Voll in die Fresse. Sie drehte sich weg, sagte:
    »Entschuldigung, dass ich Sie gestört habe.«
    Plötzlich konnte ich wieder reden, sagte:
    »Ich heiße Mitch, wie geht’s? Nehmen Sie’s mir nicht übel, ich hatte einen

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