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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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steckte es in die Hosentasche. Der Wagen sprang beim ersten Versuch an, und ich hatte gerade das Ende der Einfahrt erreicht, als es klingelte. Ich sagte:
    »Ja?«
    Es war Lillian, sie sagte:
    »Sie übertreffen meine Erwartungen um Längen, aber hinter meinen Hoffnungen bleiben Sie ebenso weit zurück.«
    Und legte auf.
    Bis ich in die Upper Street kam, war es zehn nach acht. Islington ist echt scheiße, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Aisling wartete. Sie trug einen Dufflecoat, ausgewaschene Jeans. Sah aus wie eine strahlende Studentin. Ich machte die Tür auf, sie sprang rein. Beugte sich rüber und küsste mich auf den Mund. Ich sagte:
    »Tut mir leid, ich bin spät dran. Wo geht’s lang?«
    Sie erklärte mir umständlich den Weg und ich verfuhr mich zweimal. Endlich schrie sie:
    »Halt!«
    Ich hielt.
    Wir parkten vor einem Pub. Sie sagte:
    »Das ist Filthy MacNasty’s.«
    »Du machst Witze.«
    »Nein, das heißt so.«
    »Das klingt, als wär’s eine Kneipe in der Bronx.«
    »Mir ist eingefallen, dass du gesagt hast, du stehst auf Krimis. Hier finden Lesungen mit Krimiautoren statt, und dazu wird Musik aufgelegt, die mit den Büchern zu tun hat. Rate mal, wer heute Abend liest?«
    Ich hatte keine Ahnung, sagte:
    »Keine Ahnung«
    »James Ellroy.«
    »Nein, scheiße, echt ... das ist ja großartig!«
    Die Kneipe war gerammelt voll, aber wir konnten gerade noch zwei Hocker am Ende des Tresens ergattern. Aisling strahlte vor Aufregung. Sie sagte:
    »Ich lad dich ein, was möchtest du?«
    »Guinness.«
    Sie bestellte eins und einen Malibu für sich. Die Getränke kamen, und wir stießen an. Ich fragte:
    »Woraus besteht ein Malibu?«
    »Rum mit Kokos.«
    »Gütiger Gott.«
    »Probier mal.«
    »Ich glaub kaum.«
    »Ach, komm schon.«
    Ich probierte, meinte:
    »Gott, das zieht einem ja die Schuhe aus, schmeckt wie Hustensirup.«
    Sie lachte, drückte meinen Oberschenkel, sagte:
    »Ich freue mich sehr, dich zu sehen.«
    Tolles Gefühl. Mann, wann hatte ich mich das letzte Mal so gefühlt? Sie war umwerfend, witzig, klug, und sie mochte mich. Ich hatte Geld in der Tasche und einen vielversprechenden Ständer. Der Himmel auf Erden.
    Dann betrat James Ellroy die Bühne. Großer Typ, energiegeladen. Es war weniger eine Lesung als eine richtige Inszenierung.
    Hypnotisierend.
    In der Pause wurde er umringt. Aisling sagte:
    »Willst du nicht auch mit ihm reden?«
    »Vielleicht ergibt sich später noch was.«
    Sie lächelte verschlagen, sagte:
    »Ich erzähl dir, was wir später machen: Ich werde dich zu mir nach Hause locken und mich mit
    Duftwasser
    Öl
    und dir
    in die Wanne legen.
    Dann mach ich eine Flasche Wein auf, bestelle eine riesige Pizza und verschlinge dich, solange sie noch heiß ist. Wenn du dann schläfst, pass ich auf dich auf.«
    Mein Handy klingelte.
    Ich musste mich durch die Menge drängen, um einen ruhigen Fleck zu finden.
    Ich presste mir das Handy ans Ohr, sagte:
    »Ja?«
    »Mr. Mitchell, hier ist Jordan.«
    »Ja?«
    »Miss Palmer hat versucht, sich umzubringen.«
    Ach du Scheiße.
    »Geht’s ihr sehr schlecht?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Was kann ich tun?«
    »Ich denke, Sie sollten kommen.«
    Mist.
    »Wie Sie meinen.«
    Und er legte auf. Ich sagte:
    Scheiße
    Scheiße
    Scheiße.
    Ein Mann sagte: »Nach der Pause liest er immer noch besser.«
    Ich kämpfte mich zurück, sagte zu Aisling:
    »Ich muss weg.«
    »Oh, nein.«
    »Pass auf, ich setz dich ab.«
    »Nein, fahr lieber direkt los.«
    »Kommst du klar?«
    »Vielleicht wechsle ich noch ein paar Worte mit James Ellroy.«
    »Ich mach’s wieder gut.«
    Sie lächelte mich traurig an, sagte:
    »Mal sehen.«
    Als ich ging, lief gerade »Sweetest Thing« von U2.
    Wenn das nicht deutlich ist, dann weiß ich’s auch nicht.
    »Drained of all but memories of you.«
    »Mann«, dachte ich, »wo war das noch mal her?«
    Als ich mich in Islington durch den Verkehr quälte, fühlte ich mich hundemüde. Ich brauchte fast zwei Stunden bis Holland Park.
    Rein in die Küche, und da war Jordan, ich fragte:
    »Wie geht es ihr?«
    »Der Arzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, aber sie ist wach.«
    »Soll ich hochgehen?«
    »Bitte, ja.«
    Er hatte dem nichts weiter hinzuzufügen, also stieg ich die Treppe hoch wie ein Verurteilter. Ihr Schlafzimmer wurde von einer Nachttischlampe erleuchtet. Sie lag im Bett, die Arme über der Decke. Ich konnte die Verbände an ihren Handgelenken sehen. Logisch würde sie die nicht verstecken.
    Ich

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