London Boulevard - Kriminalroman
paar Häuser von der nächsten Kreuzung entfernt.
Das Haus war hell erleuchtet. Jordan fragte:
»Vorder- oder Rückseite, was ist Ihnen lieber?«
»Vorderseite.«
Ich ließ die Glock in meiner rechten Tasche. Die Tür stand sperrangelweit offen. Ich schlich auf Zehenspitzen den Flur entlang. Briony saß in einem Sessel, blutüberströmt. Ich atmete schwer, bis ich kapierte, dass es das Blut des Hundes war, den sie auf ihrem Schoß hielt.
Sie starrte ins Leere, ich sagte:
»Bri?«
»Oh, hallo.«
Ich ging ins Zimmer, näher an sie heran, fragte:
»Alles klar, Liebes?«
»Guck mal, was die mit meinem Baby gemacht haben.«
»Wer?«
»Ich weiß es nicht. Hab ihn in meinem Bett gefunden, als ich nach Hause kam. Wo ist sein Kopf, Mitch?«
Jordan trat ins Zimmer. Ich sagte:
»Bri, das ist mein Freund Jordan.«
»Oh ... Hallo, Jordan, möchten Sie Tee?«
Er schüttelte den Kopf. Ich sagte:
»Bri, darf ich Bartley-Jack nehmen?«
»Okay.«
Ich nahm ihr den leblosen Haufen vom Schoß. Der kleine Hundekörper war noch warm. Das erschütterte mich bis auf die Knochen. Jordan sagte:
»Ich mache Ihre Schwester sauber.«
Er half ihr aus dem Sessel und nahm sie an der Hand. Das Telefon klingelte. Ich nahm ab und hörte ein schrilles Kichern.
Ich wollte los, ging Richtung Tür, aber Jordan holte mich ein, fragte:
»Wo wollen Sie hin?«
»Das war Gant.«
»Und?«
»Das Schwein mach ich kalt.«
Er drehte mich um, sagte:
»Überlegen Sie erst. Sie müssen ihn dort erwischen, wo er verwundbar ist. Hat er Familie?«
»Eine Tochter, geht zur Schule.«
»Dann schlagen wir beim Frühstück zu.«
»Wenn das Mädchen in die Schule gegangen ist.«
»Wie Sie wünschen.«
»Wie geht’s, Briony?«
»Sie schläft, ich habe ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.«
»Was sind Sie eigentlich, eine wandelnde Apotheke?«
Er grinste. »Unter anderem.«
Jordan verschwand für eine halbe Stunde, kam mit einer vollen Plastiktüte wieder, sagte:
»Das wird uns helfen, die Nacht zu überstehen.«
»Wenn Sie zu dem Text noch eine Melodie erfinden, ist Ihnen ein sensationeller Nummer-eins-Hit sicher.«
Er verzog das Gesicht. Holte ein Six-Pack Budweiser aus der Tüte, ein Baguette, Schinken, Tomaten, saure Gurken, ein Glas Mayonnaise. Ich fragte:
»Wo haben Sie den Scheiß her?«
»Wir sind hier in Peckham.«
Was soll man dazu sagen?
Einige Biere später erklärte ich:
»Lawrence Block lässt Matt Scudder sagen:
Winter ist keine große Sache,
zieh dich warm an,
dann Augen zu und durch. «
Auf seinem belegten Baguette kauend fragte er:
»Und das bedeutet was?«
»Weiß nicht, kam mir vor, als würde es passen.«
Wir planten den Überfall auf Gant. Oder vielmehr spielten wir verschiedene Varianten durch.
Verwarfen
modifizierten
einigten uns auf eine.
Jordan sagte: »Okay. Das ist gut. Wir lassen es wie einen Drogendeal aussehen, der schiefgelaufen ist.«
»Wie?«
Er griff in die Tüte, warf
eine Spritze
Heroin
und
das restliche Zubehör
auf den Tisch.
Ich sagte: »Das ist mein Besteck!«
»Ich weiß.«
Ich stand auf, sagte:
»Haben Sie mein Zimmer durchsucht?«
»Jeden Tag.«
»Sie Wichser, was wollen Sie?«
Er fragte:
»Haben Sie schon mal von Anthony de Mello gehört? Natürlich nicht. Sie haben eine handvoll mittelmäßiger Krimis gelesen und glauben, Sie verstehen was vom Leben.«
Er sagte nicht: »Sie Vollidiot!«
Aber es hing in der Luft.
Oh ja.
Er fuhr fort:
»De Mello sagt, neunzig Prozent der Menschen schlafen. Sie wachen niemals auf. Wann war der Ungarn-Aufstand?«
»Was soll das, ist das ein Ratequiz? Was interessiert mich der scheiß Ungarn-Aufstand?«
»Voilà. Sie kennen nicht einmal das Grundprinzip des Kriminalromans. Cherchez la femme . Als ich jung war, habe ich Männer erlebt, die anständig waren, voller Mitgefühl. Sie mussten Kindermörder jagen und auslöschen. Dabei wurden sie selbst zu Bestien, versteinerten. Sie lächelten nie.«
Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte, sagte:
»Ich hab keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen.«
Er holte ein paar Pillen aus der Tüte, legte sie auf die Sessellehne, sagte:
»De Mello erzählt die Geschichte vom spanischen Huhn. Ein Adlerei fällt in den Hühnerstall. Es wird ausgebrütet, und die Hühner ziehen das Küken wie ihr eigenes auf. Es lernt, Körner vom Boden zu picken, und entwickelt sich normal. Eines Tages sieht es einen majestätischen Vogel über den Stall hinweg fliegen. Man erzählt ihm, dieser sei das
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