London Boulevard - Kriminalroman
aufgewärmt aus der Mikrowelle. Als sie mir in den Mund tropfte, fragte Aisling:
»Appetit befriedigt? In jeder Hinsicht?«
Ich nickte.
Das Radio dudelte leise. Die waren gut gewesen.
Gram Parsons
Cowboy Junkies
bis Phil Collins »True Colors« verunstaltet hat.
Aisling fragte:
»Woran denkst du?«
Die Antwort kannte ich und sagte:
»An dich, Liebling.«
Sie lachte und ich setzte hinzu:
»Wir brauchen kein Licht, deine Augen würden den Raum auch so erstrahlen lassen.«
»Scheißeschwaller.«
Aus dem Radio kam jetzt Iris DeMent - »My father died a year ago today ...«
Aisling fing an zu weinen. Ich wollte sie umarmen, aber sie machte eine abweisende Handbewegung. Ich war still, bis die einnehmende Melodie zu Ende war. Sie sagte:
»Mein Dad war Alkoholiker. Mein Bruder hat behauptet, ich hätte meine Kindheit wie ein Reh im grellen Scheinwerferlicht eines heranrasenden Wagens verbracht. Jahrelang konnte ich nicht mehr tun, als ihn aus dem Tragödienfach in die leichte Unterhaltung zu hieven. Als er sternhagelvoll starb, war ich froh. Im Krankenhaus haben sie mir seine Habseligkeiten übergeben ... weißt du, was das war?«
Ich hatte keine Ahnung, sagte:
»Keine Ahnung.«
»Ein Pfadfindergürtel und ein Rosenkranz.«
Sie spielte mit dem Pizzarand, dann:
»Die Rosenkranzperlen hab ich in den Fluss geworfen.«
»Aber den Gürtel hast du behalten?«
»War sein Vermächtnis.«
»Mann, du hast ne spitze Zunge, weißt du das?«
Sie lächelte, sagte:
»Willst du wissen, was ich sonst noch für einen Stuss im Kopf habe?«
»Einen was?«
»Bescheuerten Blödsinn.«
»Hm...«
»Heute hört man andauernd was von der modernen Frau, die nicht auf Konventionen steht. Aber diese Frau hier will einen Ehemann, ein Zuhause und Kinder.«
Ich schwieg. Griff nach meinem Drink. Sie sagte:
»Ich will dich.«
Dann beugte sie sich vor, setzte sich auf mich und fing an, mich zu lieben. Ich wehrte mich nicht. Hinterher sagte sie:
»Ich wäre doch verrückt, wenn es anders wäre.«
»Wärst du.«
Ich war auch nicht verrückt und verbrachte den kompletten folgenden Tag mit ihr. Wir gingen auf den Markt in der Portobello Road, lachten über den Trödel, der dort verkloppt wurde. Fuhren ins West End und ließen uns im Trocadero fotografieren. Seltsamerweise war’s gar keine schlechte Aufnahme. Aisling sieht jung darauf aus und strahlt und ich ... ich sehe aus, als würde ich mich darüber freuen, wie sie aussieht. Und das tat ich.
Als ich wieder nach Holland Park kam, schlug es Mitternacht. Das Haus war dunkel. Ich sah nach der Schauspielerin, berührte ihre Wange, sie murmelte:
»Hm...m...«
und schlief weiter.
Von Jordan keine Spur.
Ich ging in mein Zimmer und machte ein Bier auf. Ich war erschöpft, so wie man es nur sein kann, wenn man sich absolut gut fühlt. Wollte es gar nicht zu genau analysieren, aus Angst, das Gefühl zu verlieren. Liebte ich Aisling? Sie gab mir das Gefühl, die Person zu sein, die ich vor langer Zeit hatte werden wollen, so viel stand fest.
Ich trank das Bier, es war kalt und tat gut. Zog meine Klamotten aus und legte mich ins Bett. Mann, war ich fertig. Ich streckte die Beine aus. Meine Zehen berührten etwas Feuchtes und schreckten zurück. Ich sprang aus dem Bett, Entsetzen machte sich breit. Zog die Decke herunter. Ein Knäuel aus Blut und Eingeweiden lag dort. Mit den Augen konnte ich es nicht richtig erkennen, aber jetzt setzte mein Verstand ein. Ich musste genauer hinsehen - das war ein Hundekopf. Brionys Hund ... wie zum Teufel hieß der noch mal ... Bartley? Bartley-Jack.
Schon mal Dolores Keane »Caledonia« singen gehört?
Kam mir in den Kopf.
Keine Ahnung warum.
Als ich vor dem Bett des Schreckens zurückwich, dröhnte mir der Song durch den Schädel.
Aufkeimender Wahnsinn, denke ich.
Dann spürte ich, wie ich an den Schultern gepackt wurde und mir jemand fest ins Gesicht schlug. Ich sagte:
»Hey, sachte mit den Ohrfeigen.«
Jordan sagte:
»Sie haben geschrien. Wir wollen Madame nicht wecken.«
»Nein, um Gottes willen bloß das nicht.«
Er trat ans Bett und nuschelte etwas auf Ungarisch.
Etwas, das so viel bedeutete wie: »Leck mich am Arsch!« Ich sagte:
»Das ist der Hund meiner Schwester.«
»Auf was warten wir noch? Los geht’s.«
Wir holten die Regenmäntel und die Knarren und nahmen meinen Wagen. Wenig Verkehr, und in ungefähr dreißig Minuten hatten wir die Stadt durchquert.
Briony wohnte in der Peckham Road. Eine ruhige Straße, nur ein
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