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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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Steigung, an deren Spitze Franks Freunde stehen, all die vielen jungen Singlemänner mit ihren unergründlichen Weihnachts-Boni. Es machte ihr Spaß, diese Welt Leah zu schildern, die praktisch nichts darüber wusste. Chelsea, Earls Court, West Hampstead. Lofts und Luxusappartements, unangetastet von Kindern und Frauen, frei von Mobiliar, umgeben von Gettos.
    »Ich korrigiere: Es gibt immer eine große braune Ledercouch, einen riesigen Kühlschrank und einen Fernseher, der etwa so groß ist wie diese ganze Wohnung. Und eine gewaltige Stereoanlage. Vor zwei Uhr früh sind sie nie zu Hause. ›Kundenpflege‹. Meistens in Striplokalen. Das steht also alles leer. Fünf Zimmer. Ein Bett.«
    Leah schnippte den Stummel des aufgerauchten Joints in Richtung Fuchs: »Schmarotzer.«
    Plötzlich wurde Natalie von dem befallen, was sie für sich »Gewissensbisse« nannte. »Viele davon sind ganz in Ordnung«, sagte sie rasch. »Nett, also, jeder für sich, meine ich. Sie haben Humor. Und sie engagieren sich wirklich für ihre Arbeit. Nächstes Mal, wenn wir ein Abendessen geben, musst du auch kommen.«
    »Ach, Nat. Alle sind nett. Alle arbeiten engagiert. Alle sind mit Frank befreundet. Was hat das denn schon zu sagen?«
131. Wiedertreffen
    Leute wurden krank.
    »Weißt du noch, Mrs Iqbal? So eine kleine Frau, hat mich immer ziemlich von oben herab behandelt. Brustkrebs.«
    Leute starben.
    »Den musst du doch noch kennen, er hat in Locke gewohnt. Letzten Dienstag ist er einfach tot umgefallen. Eine halbe Stunde hat der Notarzt gebraucht.«
    Leute benahmen sich daneben.
    »Zwei Wochen ist das Baby jetzt alt, und sie lassen mich einfach nicht rein. Wir wissen nicht mal, wie viel Kinder da drinnen sind. Sie melden sie ja nicht an.«
    Leute wussten nicht, wie gut sie es hatten.
    »Rat mal, was die Eier in dem Supermarkt kosten. Alles bio. Rat mal!«
    Leute wurden gesichtet.
    »Ich habe Pauline getroffen. Leah arbeitet ja jetzt beim Bezirk. Sie hat immer so große Hoffnungen in das Kind gesetzt. Seltsam, wie die Dinge sich entwickeln. In gewisser Weise hast du ja doch einiges mehr erreicht als sie.«
    Leute blieben verschwunden.
    »Er ist oben mit Tommy. Mit dem verbringt er jetzt all seine Zeit. Sie kommen nur noch aus dem Zimmer, wenn sie ausgehen und Frauen umgarnen wollen. Jayden und Tommy vergeuden ihre ganze Zeit und ihr ganzes Geld damit, Frauen zu umgarnen. Was anderes hat dein Bruder nicht mehr im Kopf. Ständig sage ich ihm, er muss sich endlich Arbeit suchen.«
    Leute waren keine Leute mehr, sondern nur noch Sprachgebilde. Ein Satz genügte, um sie heraufzubeschwören und zu töten.
    »Owen Cafferty.«
    »Ich weiß nicht, wer das ist, Mum.«
    »Owen Cafferty. Owen Cafferty! Er hat sich doch immer um das Essen für die Gemeinde gekümmert. Mit Schnurrbart. Owen Cafferty!«
    »Ja, gut, ganz entfernt. Was ist denn mit ihm?«
    »Tot.«
    In der Wohnung hatte sich nichts verändert, und doch war da ein neues Gefühl von Mangel. Ein neues Bewusstsein. Und da wurden ihrer beider Augen aufgetan, und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und schämten sich. Marcia breitete einen Fächer aus Kreditkarten auf dem Tisch aus. Und während Marcia ihrer Tochter die verworrene Herkunftsgeschichte jeder einzelnen Karte erzählte, notierte Natalie alles, so gut es ging. Sie war zu einer Notfallsitzung einbestellt worden. Eigentlich wusste sie gar nicht, warum sie sich Notizen machte. Das einzig Sinnvolle wäre, einen substanziellen Scheck auszustellen. Das war ihr in der aktuellen Situation aber nicht möglich. Und sie brachte es nicht über sich, Frank darum zu bitten. Was half es da schon, aus Zahlen Wörter zu machen?
    »Soll ich dir mal sagen, was ich eigentlich bräuchte?«, sagte Marcia. »Dass Jayden endlich hier verschwindet und heiratet und seine eigene Wohnung hat, damit die Kleinen von deiner Schwester nicht mehr mit ihrer Mutter in einem Zimmer schlafen müssen. Das bräuchte ich eigentlich.«
    »Ach Mum … Jayden wird nie … Jayden interessiert sich nicht für Frauen, er …«
    »Fang jetzt nicht wieder mit dem Unfug an, Keisha. Jayden ist schließlich der Einzige von euch, der sich wirklich um mich kümmert. So ein Leben müssen wir jetzt führen. Von Cheryl ist nichts zu erwarten. Die kann sich ja selber kaum helfen. Jetzt ist Nummer drei unterwegs. Natürlich liebe ich die Kinder alle. Aber so ein Leben müssen wir jetzt führen, Keisha, das ist die Wahrheit. Von der Hand in den Mund. So sieht’s aus.«
    Leute führten

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