London Road - Geheime Leidenschaft
machte ich einen Schritt nach vorn und ich ließ mich gegen den Türrahmen sinken. Dann ging plötzlich die Tür auf, und das Herz wurde mir aus dem Körper gerissen.
Ich blinzelte, weil ich gar nicht begriff, was ich da vor mir sah. Ich schüttelte den Kopf, aber das Bild ging nicht weg.
Als sie mich blutend und tränenüberströmt auf der Schwelle stehen sah, schnappte Blair erschrocken nach Luft. »Jo? Was ist passiert?«
Mein Blick glitt an ihr hinunter und wieder hinauf.
Ihre kurzen Haare ringelten sich in feuchten Locken um ihr Gesicht. Sie trug Cams QOTSA-T-Shirt. Weil sie so klein war, reichte es ihr fast bis zu den Knien. Den nackten Knien. Und nackten Beinen.
Blair war um halb drei Uhr morgens bei Cam in der Wohnung, sie hatte nasse Haare und trug nichts am Leib als eins seiner T-Shirts?
»Ach du lieber Gott.« Sie streckte die Hand nach mir aus, doch ich wich taumelnd vor ihr zurück. »Cam ist im Bad, ich hole ihn schn … Jo!«
Ich war schon losgerannt und stolperte, wankte, taumelte die Treppe hinunter. Ich hielt es keine Sekunde länger in diesem Haus aus. Cole durfte ich so nicht unter die Augen kommen, und Cam …
Draußen übergab ich mich neben den Mülltonnen.
Ich wischte mir mit der Hand über den Mund und hielt Ausschau auf der Straße.
Ich brauchte ein Taxi.
Ich brauchte meine Freundin.
Wenn Cam … Ich würgte ein Schluchzen hinunter und hastete um die Ecke, die London Road entlang … Wenn ich bei Cam nicht willkommen war … dann musste ich eben woandershin.
Das einzig Gute, das mir in dieser Nacht widerfuhr, war ein Taxi mit hell erleuchtetem Dachschild. Ich riss die Hand hoch, und der Fahrer hielt am Straßenrand. Den Arm auf die Rippen gepresst, stieg ich ein.
»Dublin Street«, murmelte ich. Wegen der aufgeplatzten Lippe fiel mir das Sprechen schwer.
Der Taxifahrer beäugte mich argwöhnisch. »Geht es Ihnen gut? Müssen Sie vielleicht ins Krankenhaus?«
»In die Dublin Street.«
»Sie sehen aber ganz schön mitgenommen aus …«
»Meine Familie wohnt in der Dublin Street«, beharrte ich, während mir Tränen in die Augen stiegen. »Sie können mich ins Krankenhaus bringen.«
Der Taxifahrer zögerte so lange, dass Cam schließlich in T-Shirt und Jeans um die Ecke gerannt kam und hektisch die Straße entlangspähte. Er entdeckte das Taxi, und unsere Blicke trafen sich. Mit bleichem, angespanntem Gesicht eilte er auf mich zu, gerade als das Taxi anfuhr. Gedämpftes Rufen drang über das Röhren des Motors hinweg zu mir.
Sekunden später klingelte mein Handy. Ich nahm ab, ohne etwas zu sagen.
»Jo?«, stieß er hervor. Er war außer Atem, wahrscheinlich weil er mir hinterhergerannt war. »Wo willst du hin? Was ist passiert? Blair hat gesagt, du wurdest überfallen? Was ist los?«
Die Angst in seiner Stimme linderte weder den Schmerz in meinem Herzen noch meine bittere Wut auf ihn. »Das ist jetzt wohl nicht mehr dein Problem«, antwortete ich wie betäubt, bevor ich die Verbindung beendete und seine aufgeregten Fragen abschnitt.
Kapitel 29
I ch bringe ihn um«, sagte Braden leise, aber mit einer kalten Überzeugung, die mir einen Schauer über den Rücken jagte. In seinen Augen loderte der heftige Wunsch nach Rache. Gleich darauf erschauerte ich erneut, als Joss meine verletzte Lippe betupfte.
Das Desinfektionsmittel brannte in der offenen Wunde. Ich sog scharf die Luft durch die Zähne ein und warf Joss einen anklagenden Blick zu.
Sie verzog das Gesicht und nahm den Wattebausch weg. »Sorry.«
Braden machte einen Schritt auf mich zu. Er strotzte geradezu vor Testosteron und Wut. Selbst in T-Shirt und Jogginghosen wirkte er furchteinflößend. »Wo ist er?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Sag’s mir, Jo.«
Als ich beharrlich schwieg, rückte er mir noch dichter auf den Leib. »Sag es mir«, befahl er mit eisiger Stimme.
»He, jetzt lass sie doch mal in Ruhe!«, keifte Joss. Wut und Sorge spiegelten sich in ihrem Gesicht. »Du machst ihr Angst.« Sie senkte die Stimme, behielt ihren Befehlston aber bei. »Ich würde sagen, sie hat für eine Nacht genug durchgemacht, findest du nicht?«
Die zwei starrten sich eine Zeitlang wortlos an, dann brummte Braden etwas Unverständliches und zog sich zurück. Mein Respekt für diese Frau wuchs immer mehr. Sie mochte klein sein, aber sie besaß das Herz einer Löwin – eine Freundin wie sie jeder Mensch an seiner Seite haben sollte.
Als Joss, nachdem ich gefühlte fünf Minuten lang ihre Wohnungstür mit den Fäusten
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