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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Budenbesitzer auf dem East Cheap räumten eben ihre Sachen weg, als er Richtung Candlewick Street schlenderte. Kurz vor dem Ende des Marktes sah er Alfred, der ruhig auf ihn zukam.
    Beide Männer überlegten rasch. Wenn sie verfolgt wurden, war es klüger, keinen Verdacht zu erregen. Sie stellten sich deshalb beide darauf ein, mit nichts mehr als einem freundlichen Nicken aneinander vorbei zu laufen, und hätten dies auch getan, wenn nicht genau in diesem Moment eine kleine Gestalt zu ihnen hergelaufen wäre und sie beide aufgeregt an den Ärmeln gezerrt hätte.
    Es war Osric. Er war fast eine Stunde lang in einer Wolke des Glücks auf dem Markt herumgelaufen. Hilda hatte ihm zwar im Morgengrauen gesagt, daß er Barnikel aus dem Weg gehen sollte, doch als er nun seine zwei Freunde beisammen sah, war er so aufgeregt, daß er alle Warnungen vergaß und zu ihnen rannte. »O Sir!« rief er, und sein rundes Gesicht strahlte vor Glück, »ich habe gute Neuigkeiten! Ich habe einen Sohn!«
    Die beiden Männer hatten in ihrer eigenen mißlichen Lage die familiären Belange Osrics nahezu vergessen, doch nun umringten sie ihn lachend und umarmten ihn herzlich.
    In dieser Nacht schien kein Mond, und eine dünne Wolkendecke, die von einem leichten Wind aus dem Westen herübergeweht wurde, verdeckte sogar die Sterne. Als das Boot den schwarzen Fluß hinaufglitt, schien nur das schwache Licht eines kleinen Feuers irgendwo auf dem Westhügel der Stadt.
    Leise glitt das Boot an das sumpfige Ufer, genau an der Stelle, an der der Tower-Kanal in den Fluß führte. Osric war allein. Da Barnikel beobachtet wurde, hatte er es vorgezogen, daheim zu bleiben. Sorgfältig machte Osric das Boot an einem Pflock fest und schickte sich an, das Gitter zu lockern. Es dauerte nicht lange, da hatte er es geschafft. Vorsichtig kroch er durch den dunklen Tunnel in den schwarzen, geräumigen Bauch des Towers. Mit Hilfe eines Seils zog er sich zu dem Gitter am anderen Ende des Abflusses hoch, schloß es auf und machte sich auf seinen Weg durch den Keller.
    Hilda saß auf ihrem Stuhl. In den Händen hielt sie eine Stickerei, doch sie konnte sich kaum darauf konzentrieren. Henri war früh an diesem Morgen heimgekehrt, aber abgesehen von einer höflichen Nachfrage nach dem Befinden ihres Vaters hatte er kaum das Wort an sie gerichtet. Den ganzen Tag lang hatte sie nervös gewartet, und nun versuchte sie zu sticken, während Henri mit seinem jüngsten Sohn Schach spielte.
    Am West Cheap hatte es in der Dämmerung zu brennen begonnen, und das Feuer hatte sich auf mehrere Häuser ausgebreitet, doch da so etwas in London häufig vorkam, dachte sie kaum daran. Als etwa zwei Stunden nach Einbruch der Nacht Ralph bei ihnen vorbeikam, da machte ihr Herz einen Sprung vor Schreck.
    Inzwischen wußte man schon in ganz London von seiner vergeblichen Durchsuchungsaktion, doch weder Henri noch Hilda sprachen ihn darauf an, und Ralph wirkte gar nicht mehr so wütend, sondern eher nachdenklich. Er holte sich einen Krug Wein und setzte sich auf die Bank Henri gegenüber, wo er schweigend ins Feuer starrte, bis er endlich meinte: »Ich habe ein Problem, Henri. Jemand spioniert mir nach. Du mußt wissen, daß ich heute beinahe einen großen Fang gemacht hätte: Waffen! Doch ich glaube, die Verschwörer haben einen Hinweis bekommen.«
    »Von wem?«
    »Von jemandem, der meine Pläne kennt.« Er starrte Hilda an. »Wer, glaubst du, könnte das sein?«
    Hilda spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Sie legte die Hände in den Schoß und blickte ihn forschend an. War dies eine Finte, um sie in die Enge zu treiben? Doch warum sollte er sie verdächtigen? Rasend schnell überlegte sie die Möglichkeiten. »Ich habe keine Ahnung, Ralph«, sagte sie schließlich. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte die beiden Brüder allein gelassen, doch sie wagte es nicht. Wer weiß, wie lange ihre Pein gedauert hätte, wenn es nicht zu einer unerwarteten Unterbrechung gekommen wäre.
    Gertha betrat den Raum, das Gesicht von ihrem Abendspaziergang gerötet. Sie merkte offenbar nicht, welche Spannung in dem Raum herrschte, denn sie trat gleich auf Ralph zu und küßte ihn. Dann nahm sie seinen Talisman in ihre großen Händen und liebkoste ihn. »Das Feuer dort draußen wird immer größer«, sagte sie. »Und du hast den Rotbart also nicht verhaftet?«
    Ralph grunzte nur. »Es ist etwas passiert.«
    »Du wirst ihn schon noch zu fassen kriegen. Ich habe ihn übrigens heute abend am

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