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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Stockwerk war fast fertig. Die ersten der gewaltigen Eichenstämme, die sich über das ganze Gebäude erstrecken und das Dach tragen sollten, waren bereits angekommen. Die Bäume, die den Anforderungen entsprachen, mußten von weit her auf dem Fluß nach London geschafft werden. Die Fertigstellung des Daches würde wohl weitere zwei Jahre in Anspruch nehmen.
    Osric schaute sich um. Der Ort, an dem der Towerkanal in den Fluß führte, lag gut versteckt hinter ein paar Zimmererhütten. Barnikels Boot konnte bis vor das Gitter gelangen und ungesehen beladen werden. Das Gitter war schnell zu öffnen. Dann hieß es nur noch den Gang hindurch bis zu dem Gitter am anderen Ende kriechen, für das Alfred noch einmal einen Ersatzschlüssel bereitgestellt hatte. Während Barnikel auf dem Boot Wache hielt, würde er das Geheimversteck leeren und die Waffen herausbringen. Vor dem Morgengrauen würden sie schon auf ihrem Weg den Fluß hinab sein.
    Für wen die Waffen bestimmt waren, fragte Osric nicht. Es reichte ihm, daß der Däne ihm gesagt hatte, daß er die Waffen brauchte. Das Unterfangen war nicht besonders riskant, und es war auf jeden Fall ein weiterer Schlag gegen den Normannenkönig. In der nächsten Nacht sollte es stattfinden.
    An diesem Abend war Henri ausgegangen und hatte ausrichten lassen, daß er vielleicht die ganze Nacht wegbliebe. Hilda beschloß, die Nacht wieder einmal bei ihrem Vater zu verbringen. Nachdem sie ein Stündchen mit ihm geplaudert hatte, unternahm sie noch einen kleinen Spaziergang am West Cheap. Auf ihrem Rückweg vorbei an St. Mary-le-Bow sah sie das deutsche Mädchen, das ihr sofort zuwinkte. Hilda seufzte. Sie fand ihre zukünftige Schwägerin etwas anstrengend, auch wenn sie sonst nichts gegen sie einzuwenden hatte. Heute wirkte Gertha ganz besonders aufgeregt. Hilda fragte sie, wie es Ralph gehe.
    »Sehr gut!« erhielt sie zur Antwort. »Ich komme gerade von ihm! Er ist wirklich schlau!« Gertha nahm Hilda bei der Hand und zog sie in den Schutz der Mauern von St. Mary-le-Bow. »Er hat mir gesagt, daß ich es keinem sagen darf, aber wir sind ja schließlich eine Familie. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?« flüsterte sie ihrer zukünftigen Schwägerin ins Ohr. Es folgte eine sehr überraschende und interessante Information.
    Über der kleinen Kirche von All Hallows tauchten gerade die ersten Sterne auf, als Hilda leise an die Tür von Barnikels strohgedecktem Heim klopfte.
    Nachdenklich beobachtete sie ihn, während er die Lampen entzündete. Als er die schlechten Nachrichten erfuhr, wirkte er sehr alt und müde, was Hilda beunruhigte. Aber dann schien er sich wieder zu straffen. Sie blickte ihn halb mitleidig, halb bewundernd an. »Was wirst du nun tun?« fragte sie.
    Ein armer Bauer in den Wäldern von Essex lieferte Ralph den entscheidenden Hinweis. Man hatte ein Schwert bei ihm gefunden und ihn zur Burg von Colchester geschafft. Man befragte ihn eingehend, wie er zu der Waffe gekommen sei. Nachdem man ihm seine Finger gebrochen hatte, redete er. Er besaß das Schwert schon seit damals, als er mit Than Herewards Männern im Wald gelebt hatte, also seit über fünfzehn Jahren.
    Der Wachposten in Colchester brachte den Mann nach London und überließ ihn Ralph zum Verhör. Ralph bekam heraus, daß die Waffen aus London stammten, wo es einen Mann gab, dem die Rebellen vertrauten. Kurz bevor der Bursche starb, erinnerte er sich noch an eine Einzelheit. »Der Mann hatte einen roten Bart.«
    Es gab viele Männer mit roten Bärten in der alten angeldänischen Stadt, und auch viele Normannen hatten rote Bärte. Doch als Ralph über alles nachdachte, was er wußte, fügten sich die Teile doch zu einem Muster: jemand, der die Normannen haßte; ein Mitglied der alten Verteidigungsgilde; ein Freund von Alfred, dem Waffenschmied. Schließlich schrie er wütend: »Man hat mich hintergangen!« Und dann meinte er grimmig lächelnd: »Jetzt werde ich sie alle zusammen fassen!« Dann stellte er seine Falle auf.
    »Morgen bei Tagesanbruch will er kommen. Er will dieses Haus und dein Lager in Billingsgate sowie Alfreds Waffenschmiede durchsuchen. Wenn er Waffen findet, hat er euch. Wenn nicht, werden seine Spione euch strengstens überwachen«, hatte Hilda Barnikel besorgt mitgeteilt.
    Der alte Däne hatte nachdenklich genickt. »Sie werden nichts finden. Wir werden unseren Plan nur ein klein wenig abändern müssen.« Und dann hatte er ihr von Osric und dem Geheimnis im Tower erzählt.
    Ihr

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