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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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East Cheap gesehen, zusammen mit seinen beiden Freunden. Sie haben einander umarmt und gelacht.«
    Ralphs Unterkiefer klappte nach unten. »Welche Freunde?«
    »Der Mann, der Waffen macht. Alfred heißt er doch, oder? Und der kleine Mann mit dem runden Kopf, der keine Nase hat.« Sie lachte. »Vielleicht glauben sie, daß du sie nicht erwischen wirst, aber das wirst du schon noch tun.« Damit küßte sie ihn noch einmal auf den Kopf und verkündete: »Ich gehe jetzt zu meinem Vater.« Und weg war sie.
    Eine Weile sagte niemand ein Wort. Hilda starrte auf ihre Stickerei. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Wie war es nur dazu gekommen, daß das Mädchen die beiden Männer zusammen mit Osric sehen konnte?
    Ralph saß unbewegt da und starrte ins Feuer. Nur in seinem Gesicht zuckte es, als habe er Schmerzen. Wie hatte er nur diese Verbindung übersehen können? Barnikel, der Freund von Alfred. Alfred, der Freund von Osric. Osric, der verdammte kleine Leibeigene, den er im Keller des Towers gefunden hatte. Der Towerkeller, in dem die Waffen gelagert waren. Der Keller, für den Alfred die Schlösser angefertigt hatte. Plötzlich sprang er auf und schrie: »Zum Teufel! Ich weiß, was sie getan haben! Ich weiß, wo sie die Waffen versteckt haben! Im Tower!« Und zu Hildas Entsetzen fügte er noch hinzu: »Und genau dorthin gehe ich jetzt!«
    Gefolgt von Henri raste er aus dem Haus.
    Auch Hilda beeilte sich. Vorbei am langen Schatten von St. Paul's rannte sie den Westhügel Richtung Walbrook hinunter. Sie wußte, daß Eile vonnöten war, und vielleicht war es ja auch schon zu spät, doch sie mußte es Barnikel mitteilen. Er würde wissen, was zu tun war.
    Sie überquerte die kleine Walbrook-Brücke und hastete auf der Candlewick Street weiter. Am London Stone hielt sie kurz inne, um Atem zu holen und das Seitenstechen, das sie plagte, abklingen zu lassen. Sie beugte sich nach vorn, die Hände auf die Knie gestützt.
    Plötzlich wurde sie von starken Händen umfaßt. Man hielt ihre Arme fest und warf ihr einen Umhang über den Kopf. Noch bevor sie Zeit hatte zu schreien, wurde sie schon in eine kleine Seitengasse gezerrt.
    Die Aufgabe war leichter, als Osric gedacht hatte. Zuerst holte er die Waffen aus ihrem Versteck und schaffte sie zu dem Gitter. Er brauchte nur etwa eine halbe Stunde, bis er sie alle in den Abfluß abgeseilt hatte. Dann schleppte er sie nach und nach vor das Gitter am Flußufer, und nach zwei Stunden war er schließlich so weit, sie auf das Boot zu verladen. Doch als er nun hinaus in den Sumpf vor das Gitter trat, zuckte er entsetzt zusammen.
    Das Feuer, das auf dem Westhügel ausgebrochen war, war zu einem riesigen, schrecklichen Brand angewachsen. Die Holzhäuser Londons waren trocken wie Zunder; die lodernden Flammen wurden vom Wind weiter angefacht. In dieser Nacht im Herbst 1087 verbreitete sich das große Feuer krachend und brüllend zum östlichen Hügel, an der Außenwand hinter dem Tower entlang bis hin zu All Hallows.
    Als Osric aus dem Tunnel trat, fiel ihm als erstes das Geräusch auf, ein dumpfes, anhaltendes Brüllen, das aus der Stadt kam. Bei dem Boot angekommen, drehte er sich um und sah es. Zischend, krachend, Funkenexplosionen in die Luft jagend, baute sich das Feuer wie eine einzige Flamme um den Kamm des Abhangs über ihm auf und verschlang die Stadt. Vor diesem alles umgebenden Feuerring stand der große, schwarze Schatten des Towers. Es war ein eindrucksvoller Anblick, doch Osric hatte keine Zeit, länger hinzusehen. Er tauchte in den dunklen Tunnel zurück.
    Ralph eilte den Hügel hinab. Unter sich sah er die massige Form des Towers, erleuchtet von den Flammen. Auf seinem Weg über den Westhügel blieb er stehen, um Leute anzuweisen, die versuchten, den Flammen Einhalt zu gebieten. Eine Kette von Männern aus der Garnison in Ludgate, die Wassereimer von Hand zu Hand reichten, versuchten, ein Haus zu retten, und Ralph übernahm kurz das Kommando. »Gießt Wasser auf die Dächer!« schrie er den Leuten zu. Doch das riesige, rote Ungeheuer flog zischend von einem strohgedeckten Dach zum nächsten. Schließlich merkte er, daß er hier nicht viel ausrichten konnte, und hastete weiter durch die Straßen, auf denen sich die entsetzten Menschen drängten. In seinem Rücken spürte er die Flammen. Schließlich erreichte er den großen, grimmigen Tower, stürmte die Holztreppe hinauf und trat durch den Haupteingang in den Saal, wo er nach der Wache rief.
    Nichts rührte sich. Er

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