London
trabten die Ritter auf sie zu.
Instinktiv versuchte Pentecost, sein Pferd umzulenken und zu entkommen. Aber der Kies auf dem Weg und Pentecosts Panik brachten das Pferd dazu, auszurutschen und zu stürzen, und Pentecost hatte noch Glück, sich bei dem Sturz auf den harten Boden nicht zu verletzen.
Bis er es geschafft hatte, wieder auf die Füße zu kommen, waren zwei der drei Ritter schon gut hundert Meter von ihm entfernt, doch der dritte war noch da und blickte kühl auf ihn herab, das Schwert nach wie vor gezückt. »Wie wär's mit einem kleinen Schwertkampf?« fragte er höhnisch und begann gelassen, von seinem Pferd abzusteigen.
Entsetzt zog Pentecost sein Schwert. Der Ritter kehrte ihm beim Absteigen den Rücken zu. Silversleeves stach zu; von einem tiefen Hieb tödlich getroffen, brach der Ritter mit einem Aufschrei zusammen. Pentecost sah sich um. Was sollte er nun tun? Die anderen waren nicht mehr zu sehen.
In diesem Moment sah er eine niedergeschlagen wirkende Gestalt vom West Cheap her durch die Dunkelheit auf ihn zulaufen. Es war David Bull. Pentecost zögerte. Sollte er sich verstecken? Zu spät – der Junge hatte ihn bereits entdeckt und rannte zu ihm. Erschrocken hielt er inne, als er den gefallenen Ritter erblickte. »Er hat mich angegriffen«, beeilte sich Silversleeves zu sagen. »O Sir«, rief der Junge, »wißt Ihr schon, was passiert ist? Mein Vater und die Aldermen haben London an Prinz Johann verkauft! Die Stadt soll eine Kommune werden.« Wieder war er den Tränen nahe. »Damit ist wohl alles verloren?« fragte er geknickt.
Pentecost blickte sich hastig um. Die Ritter würden sicher bald zurück sein, um ihren Gefährten zu suchen. Hatte noch jemand den Mord gesehen? Er glaubte es nicht.
»Noch ist nicht alles verloren«, sagte er. »Der Kanzler ist hier. Wir haben Leute, die für uns kämpfen.«
»Ihr werdet Euch also Prinz Johann widersetzen und für König Löwenherz kämpfen?«
»Selbstverständlich«, antwortete Pentecost. »Du doch auch, oder etwa nicht?«
»O ja«, rief David Bull.
»Gut. Dann nimm mein Schwert«, sagte Silversleeves und reichte es ihm. »Ich werde seines nehmen.« Er bückte sich und hob die Waffe des toten Ritters auf. Und dann stach er das Schwert des Ritters direkt in David Bulls Herz. Er legte das Schwert dem gefallenen Ritter wieder in die Hände und schloß dessen Finger um den Knauf, dann begab er sich mit seinem Pferd in eine Gasse in der Nähe und wartete ab.
Alles geschah so, wie er es erwartet hatte. Nach wenigen Minuten kehrten die anderen beiden Ritter, die die Patrouille bis zum Tower verfolgt hatten, zurück, um nach ihrem Gefährten zu sehen. »O mein Gott«, rief einer. »Er ist von einem Jungen getötet worden.«
»Der Junge hat ihn von hinten angegriffen. Seht nur!«
»Aber vor seinem Tod hat er es noch geschafft, das kleine Biest zu töten.« Sie hoben die Leiche ihres Kameraden auf und ritten davon.
Kurz darauf tauchte Pentecost bei dem Aldermann auf. »Ich möchte Euch um einen Gefallen bitten«, sagte er. »Ich habe Longchamp verlassen. Er ist am Ende. Würdet Ihr bei Johann und dem Rat ein gutes Wort für mich einlegen?«
Da Bull sich ein wenig schuldig fühlte, weil er ihn vorher an der Nase herumgeführt hatte, willigte er grummelnd ein.
»Ihr seid wirklich ein wahrer Freund!« sagte Silversleeves.
»Habt Ihr zufällig meinen Jungen gesehen?« wollte Bull noch wissen. »Er ist vor einem Weilchen auf die Straße gerannt.«
»Nein«, erwiderte Pentecost.
Am siebten Oktober 1191 fand in der Geschichte Londons ein einmaliges Ereignis statt. Von der großen Glocke von St. Paul's herbeigerufen, traf sich der alte Folkmoot, der sich aus den Bürgern Londons zusammensetzte, und vernahm, wie der Rat in Anwesenheit von vielen Magnaten und natürlich Prinz Johann den Kanzler Longchamp absetzte. Johann wurde als Nachfolger auf den Thron ausgerufen. Außerdem wurde erklärt, daß London eine Kommune werden und einen Bürgermeister bekommen sollte, was allerdings noch von König Richard – falls er je zurückkehrte – bestätigt werden mußte.
Bei dieser Zeremonie hielt sich Alderman Sampson Bull abseits von seinen Mitkämpfern und vergoß stille Tränen. Als ihm die Tragödie seines Sohnes mitgeteilt worden war und er den Leichnam Davids heimholte, hatte er in seinem Schmerz zuerst Ida die Schuld gegeben. »Du hast ihn gegen mich aufgewiegelt und seinen Kopf mit Unsinn vollgestopft!« schrie er. »Jetzt kannst du sehen, wozu dies
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