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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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mir sagen, wer diese Leute sind?«
    Da wandte sich die Gestalt ihm zu, und überrascht erkannte er im Schein der Laterne das Gesicht seines Vaters. »Geh heim!« zischte Bull. »Ich werde dir später alles erklären.«
    Doch David zögerte, er konnte seine Neugier einfach nicht zügeln. »Aber wer sind denn diese Leute, Vater?« flüsterte er.
    Die gemurmelte Antwort seines Vaters versetzte ihn in noch größeres Erstaunen: »Prinz Johann, du Dummkopf. Und jetzt geh!«
    Erleichtert hatte Ida vernommen, daß ihr Mann und seine Kaufmannskollegen loyal waren. Offensichtlich zeigte ihr Einfluß nun doch eine Wirkung. Bull war zwar nur ein ungehobelter Kaufmann, aber immerhin hatte er Ehrgefühl, dachte sie.
    Als David nun nach Hause kam und ihr erzählte, was passiert war, konnte sie es erst gar nicht fassen. »Da mußt du etwas falsch verstanden haben«, sagte sie nur. Aber als eine Stunde verstrichen war, begann sie, nachdenklich zu werden. Was führte ihr Mann im Schilde? Als Bull schließlich heimkehrte, fragte sie ihn sogleich mit eisiger Stimme: »Was hast du getan?«
    »Einen Handel abgeschlossen«, antwortete er kühl.
    »Du hast mit dem Verräter Johann verhandelt?«
    »Ja, mit Johann.« Lag Verachtung in seiner Beherrschtheit?
    »Dem Feind des Königs. Was für einen Handel?«
    Bull war so zufrieden, daß es ihm egal war, was seine Frau von ihm dachte. »Morgen wird Prinz Johann zusammen mit dem königlichen Rat offiziell die Stadt betreten. Wir werden die Tore öffnen und sie willkommen heißen. Dann wird die Stadt Prinz Johann und dem Rat ihre volle Unterstützung beweisen, indem sie Longchamp absetzen wird. Wenn nötig, werden wir den Tower stürmen.«
    »Und dann?«
    »Dann werden wir schwören, Johann als König Richards Nachfolger anzuerkennen, und nicht Arthur.«
    »Warum habt ihr das getan?« Idas Stimme war heiser vor Mißbilligung.
    Bull lächelte nur. »Als Gegenleistung für Londons Zusammenarbeit in diesen kritischen Zeiten hat Prinz Johann uns etwas gewährt, das wir dringend brauchen.«
    »Und das wäre?«
    »Die städtische Selbstverwaltung natürlich. London ist jetzt eine Kommune. Wir werden morgen unseren Bürgermeister wählen. London ist frei.«
    Kurze Zeit war Ida zu überrascht, um Worte zu finden, dann brach es aus ihr heraus. »London eine Kommune!« schrie sie. »Nur, damit ihr Kaufleute euch Barone nennen und so tun könnt, als sei euer Bürgermeister ein König? Dafür habt ihr England an diesen Teufel Johann verkauft? Verräter!«
    Bull zuckte nur die Schultern und wandte sich von ihr ab. Deshalb sah er auch nicht, daß David Tränen in die Augen gestiegen waren und er seinen Vater nicht nur entsetzt, sondern zum erstenmal in seinem Leben haßerfüllt anstarrte, bevor er aus dem Haus rannte.
    Pentecost ritt mit vier Reitern durch die dunklen Straßen. Er hatte sich der Patrouille angeschlossen, um eventuelle Neuigkeiten herauszufinden. Sein Gespräch mit Longchamp hatte ihm wieder Mut gemacht. Der Kanzler mochte zwar manchmal etwas ungeschickt sein, doch seine kühle Entschlossenheit war zu bewundern. Pentecost hatte erfahren, daß seine Burgen bestens verteidigt werden konnten, und auch die Vorrichtungen am Tower waren in gutem Zustand. »Morgen bei Tagesanbruch werdet Ihr kontrollieren, daß auch wirklich alle Tore Londons geschlossen bleiben, und zwar auf meine Anordnung hin!« hatte er Silversleeves befohlen. Sodann hatten sie gemeinsam einen Brief an König Richard aufgesetzt, in dem Johanns verräterische Machenschaften ausführlich geschildert wurden. »Wenn die Stadt fest bleibt, wie Ihr mir gesagt habt, dann können wir Johann wahrscheinlich abwehren«, hatte Longchamp gemeint. »Und dann werden wir für Euch natürlich auch ein weiteres Landgut finden, mein Freund Silversleeves.«
    Die Patrouille war am Fuß von Cornhill angelangt und wollte gerade zum Tower zurückkehren, als sie drei Ritter vom Fluß heraufreiten sah. Als der Anführer der Patrouille ihnen befahl, sich zu erkennen zu geben, antwortete einer der Ritter nur: »Wer seid Ihr, dies von uns zu fordern?«
    »Männer des Kanzlers. Und nun sagt mir, wer Ihr seid!« Die Ritter unterhielten sich kurz leise miteinander, dann sagte einer der drei: »Ich bin Sir William de Montvent. Und Euer Herr ist ein Hund!«
    Johanns Männer. Was hatte dies zu bedeuten? Silversleeves blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Er hörte, wie Schwerter gezückt wurden, sah das schwache Aufblitzen von Stahl in der Dunkelheit, und schon

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