London
durchzusetzen, und schaffte es auch meist. Er hatte bereits die Waliser unterworfen und ihr Land mit riesigen Burgen befestigt, bevor er ihnen ihren ersten englischen Prinzen zuteilte. Bald wollte er nach Norden marschieren und auch die Schotten unter seine Herrschaft bringen. Wenn es denn eine Gruppe von Leuten in seinem Königreich gab, die ihm überhaupt nicht paßte, dann waren es die stolzen Aldermen Londons, die ihren eigenen Mayor wählten und dachten, sie könnten Könige bestimmen.
Er hatte sich einen schlauen Plan zurechtgelegt. Welcher Kaufmann konnte schon leugnen, daß Eduard es gut mit ihm meinte? Seine Gesetze waren gerecht und förderten den Handel. Schulden wurden geregelt, Steuern vereinfacht; auf Wollexporte gab es einen neuen, doch durchaus nicht überhöhten Zoll, der größtenteils auf die ausländischen Kunden abgewälzt werden konnte. »Doch was hat er insgeheim uns Patriziern nicht alles angetan!« meinte William immer wieder. »Er hat die besten Geschäfte im Weinhandel Burschen aus Bordeaux überlassen; die größten Wollhändler sind entweder Italiener oder Leute aus dem Westen.« Während sein Vater profitable Geschäfte mit dem Verkauf von Luxuswaren an den königlichen Haushalt, die Wardrobe, getätigt hatte, konnte William überhaupt kein Geschäft mehr mit diesem Amt abwickeln. »Man hat uns hintergangen«, schloß er verbittert.
Vor zehn Jahren hatte der König dann zu seinem vernichtenden Schlag ausgeholt. Unter dem Vorwand, Recht und Gesetz zu verbessern, setzte Eduard den Mayor ab und einen Kronverwalter ein. Die Aldermen erhielten von den Londonern keine Unterstützung. Es folgte eine Flut von neuen Bestimmungen: Abrechnungsformen, Gerichte, Gewichte und Maße wurden mit der bekannten Gründlichkeit Eduards reformiert. »Seine Gesetze gestatten jedem Fremden dieselben Handelsrechte wie uns«, wütete Bull. Das königliche Exchequer-Gericht zog in die Gildenhalle um, wo bislang das Hustings-Gericht der Aldermen getagt hatte. Als die Aldermen vor zwei Jahren dagegen Einspruch erhoben, enthob der Kronverwalter sie ihrer Ämter und ersetzte sie durch neue, vom Exchequer bestimmte Leute. »Lauter Fischhändler, Gerber, stinkende kleine Handwerker!« Bull tobte. Die Montfort-Rebellen waren wieder da.
Doch die alte Garde gab sich noch nicht geschlagen; schließlich herrschte sie nun schon seit einigen Jahrhunderten über London. Viele hatten in Bull – einem achtbaren Bürger mit bestem Ruf – eine mögliche Hoffnung gesehen. Und vor kurzem hatte auch er seine Chance gewittert.
Vor einem Jahr hatte König Eduard zur Finanzierung seines bevorstehenden Feldzuges gegen die Schotten die Zollgebühren auf Wolle erhöht. Diese neue Steuer, die maltote, war so hoch, daß ganz London protestierte. Inmitten dieser Unruhen wurde der Posten des Alderman für Bulls Bezirk frei. »Damals, als mein Vater noch lebte, gehörte uns so viel in diesem Bezirk, daß der Posten des Alderman automatisch uns zufiel«, meinte Bull zu seiner Familie. Aber er schluckte seinen Stolz hinunter und umwarb die unbedeutenden Kaufleute und Handwerker; selbst mit dem Kronverwalter versuchte er sich gutzustellen. Als der Tag der Wahl näherrückte, stellte ihn niemand aus dem Bezirk in Frage.
Und gestern war der entscheidende Tag. In einem feinen neuen Mantel stellte William Bull sich in der Gildenhalle zur Wahl. Doch der Exchequer-Beamte winkte ab. »Wir wollen Euch nicht«, meinte er schroff. »Wir haben einen anderen gewählt.« Als Bull protestierte – »Es war doch niemand gegen mich aufgestellt!« – erwiderte der Bursche: »Nicht aus Eurem Bezirk, aber aus Billingsgate, Barnikel nämlich.«
Barnikel, dieser verfluchte, gewöhnliche Fischhändler, sollte Alderman in Bulls Bezirk werden? Einige Minuten lang stand Bull vor der Gildenhalle und konnte es kaum fassen, doch dann entschied er, daß es an der Zeit war zu gehen.
Damit blieb ihm nur noch die kleinere Entscheidung, eine einfache und obendrein lustversprechende Entscheidung. Eine Jungfrau im Dog's Head – eine ziemliche Seltenheit, über die nur die bevorzugten Kunden informiert wurden. Er stattete dem Bordell nur gelegentlich einen Besuch ab, und der Bordellbetreiber war stets ehrerbietig und diskret. Warum also zögerte er? War dieses kleine Schuldgefühl tatsächlich angebracht? Wie zur Antwort auf seine Überlegungen ertönte ein dumpfes Klopfen an der Tür, gefolgt von einer nörglerischen Stimme.
»Was treibst du eigentlich? Du hockst jetzt
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